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Inselhüpfen auf dem Titicacasee

Der Titicacasee – vielerorts schonmal gehört, befindet er sich auf dem Altiplano in den Anden und ist mit 3800 m über dem Meeresspiegel der höchste schiffbare See der Welt. Kein Wunder zieht es da auch mich zu dem Gewässer, zudem man von hier aus leicht eine Weiterreise an Bolivien anknüpfen kann.

Peru und Bolivien teilen sich den See gleichermaßen. Zu 60% Peru, zu 40% Bolivien (oder, wenn man die Bolivianer fragt, umgekehrt). Auf der peruanischen Seite gibt es einige Inseln, auf die meine Freundin Ruth und ich die nächsten zwei Tage herumhopsen werden.

Übrigens: Mit ein wenig Fantasie hat der Titicacasee – wenn man das Bild auf der Karte umdreht – die Form eines Pumas auf einem Felsen, der gerade einen Hasen reißt. Das Wort „Titi“ bedeutet auf Quechua nämlich „Puma“ und „Caca“ bzw ursprünglich „Q'aq'a“ auf Aymaran „Fels“.

Die schwimmenden Inseln von Uros

Gut eine Stunde geht es mit dem Boot in Richtung der schwimmenden Inseln von Uros. Schwimmende Insel? Ja, richtig! Die Bewohner von Uros erschaffen diese selbst aus dem Totora-Schilf – dessen Stil sich übrigens auch Essen lässt (lecker!). Ungefähr ein Jahr brauchen sie für eine Insel, die dann wiederum für 30 Jahre halten soll. Die Idee auf künstliche Inseln auszuwandern rührt daher, da man sich so in der Vergangenheit vor Feinden schützen konnte, in dem man sich einfach vom Festland weiter ins Seeinnere absetzen konnte.

 

Heute liegen die Inseln vor Anker um nicht versehentlich abzutreiben. Wir bleiben ungefähr eine Stunde vorort und spazieren auf dem Schilf herum – ein seltsames Gefühl! Auch eine kleine Leerstunde gibt es, zur Geschichte und Kultur von Uros. Die Leute dort sprechen auch heute noch die indigene Sprache Aymara. Für 10 S/. extra können wir uns auf einem traditionellen Boot auf die Hauptinsel übersetzen lassen. Ich verzichte freiwillig – damit sind wir mit dem Motorboot schneller auf der Hauptinsel und können so noch ein wenig die Ruhe genießen, bevor der Ansturm kommt. Wer will, kann sich hier auch einen Stempel in den Reisepass eintragen lassen.

Das ganze Aufgebot auf Uros kommt mir ehrlich gesagt ein wenig zu gekünstelt rüber. Der Tourismus hat viele Seiten, einige gut, andere schlecht, hier verspüre ich wenig echtes Interesse, sondern fühle mich mehr abgefrühstückt, aber das ist nur mein persönliches Empfinden.

 

Dennoch bin ich skeptisch, ob das so weitergehen wird auf Amantani und Taquile. Erstmal jedoch döse ich auf der Bootsfahrt vor mich hin – von Uros nach Amantani braucht es immerhin satte 3 Stunden!

Amantani – die zweitgrößte Insel auf dem See

und Größte auf der peruanischen Seite. Wir erreichen Amantani am frühen Nachmittag, gegen 2 Uhr. Dort erwarten uns schon die Familien, die uns für die Nacht aufnehmen werden und ihr traditionelle Kleidung für den Anlass tragen. Das Prinzip lautet nämlich Homestay – doch wie authentisch die Familien im Angesichts des Tourismus noch sind, wird sich mir noch zeigen.

 

Wir werden jedenfalls unseren Familien zugewiesen und bekommen Unterschlupf beim Alcade – dem Gemeinderepräsentanten – höchstselbst. Demetrio ist der Name unseres Gastvaters und über kleine, schmale Wege geht es ganz schön bergauf – auf 3800 Höhenmetern kein Spaziergang. Aufgehalten werden wir nur einmal von einer Horde Schafe, die unseren Weg kreuzt.

 

Zwei Glücksfälle ereilen sich mir auf der Insel und machen das Erlebnis zu einem wirklich bemerkenswerten. Zum einen schafft es meine Freundin Ruth, als Peruanerin, so natürlich ohne sprachliche Barrieren Gespräche mit Demetrio anzuführen. Ich komme zwar nur schwer hinterher, kann bei ihr aber immer wieder nachfragen. Demetrio selbst verstehe ich nämlich schlechter, wie in jedem Land unterscheidet sich die Sprache auch von Region zu Region – und Spanisch wurde mir ja nun nicht in die Wiege gelegt ;-) 

 

Bei der zweiten glücklichen Fügung handelt es sich um unseren Guide Walter, da er der Neffe unseres Gastvaters ist. Beim Mittagessen im Haus sitzt er dabei und als ich langsam auftaue – auch sehr dank Ruth – kann ich ihn mit Fragen nur so löchern. Ha!

 

F A K T E N F L U T

 

Okay, passt auf:

Auf Amantani leben ungefähr 4200 Einwohner. Aufgeteilt ist die Insel in 10 Gemeinden a 45-50 Familien. Unsere Gemeinde, die Sancayuni hat dabei nur ca. 25 Familien. Die Familie bei der wir Leben, die Pacompia, besteht aus 5 Leuten. Sie haben 7 Zimmer, wobei 3 für Touristen reserviert sind – Ruth und ich teilen uns eines davon und sind damit heute die einzigen Gäste im Haus.

 

Der Tourismus wird hier sehr positiv aufgenommen, da er natürlich wirtschaftlich ist. Was ich sehr gut finde ist, dass die Touristengruppen zwischen den Gemeinden rotieren. Es ist also nicht so, dass die Menschen hier täglich mit lauter Fremden konfrontiert werden, es verteilt sich so auf der ganzen Insel. In der Nebensaison kommt man so auf ungefähr 2x im Monat, in der Hauptsaison zwischen Juni und August können es aber auch schonmal alle 3-4 Tage werden.

 

Strom auf der Insel gibt es seit ca. Dez 2019. Zuvor hatten die Familien, wenn überhaupt, einzelne Solarpanel im Haus, alles ein wenig unzuverlässiger. Fließend heißes Wasser gibt es nicht. Gesprochen wird hauptsächlich Quechua.

 

Von der Luft aus betrachtet sieht Amantani aus wie ein Frosch. Die Agrikultur wird in 4 Teile geteilt und dann ebenso rotiert. Angebaut wird Getreide, Kartoffel und Oca und darüber hinaus gibt es noch die Tierhaltung.

 

 

Übrigens – sehr symphatisch: Man isst überwiegend vegetarisch! Früher gehörte der Fischfang auch dazu, doch das wurde mit der Zeit schwieriger, als der See immer schmutziger wurde und die Fische immer spärlicher.

 

Hier kennt jeder jeden: Häuser baut man in 3 Tagen, weil alle helfen und dafür gehen Hochzeiten ebenfalls 3 Tage lang, weil alle kommen.

 

Amantani wirkt auf mich unfassbar friedlich und idyllisch. Ich liebe die kleinen Wege, die sich über die Insel bahnen und die Aussicht auf den See ist wunderschön. Es gibt keinen Verkehr, keine Autos, keine Busse – dafür ist sie zu klein. Völlig überflüssig, wenn man die Insel in 2-3 Stunden komplett zu Fuß überqueren kann. Das einzige motorisierte Fahrzeug, dass ich mal sehe, ist ein Motorrad.

 

Pabla, unsere Gastmutter, serviert uns zum Mittagessen Suppe sowie Reis mit Gemüse. Das ist auch das Basisessen der nächsten Tage. Tee gibt es reichlich und ich lange ebenso gerne zu – immerhin gibt es frischen Muña, eine Pflanze die ich als Tee noch mehr liebe als die Cocablätter, die in der Region so üblich sind.

 

Gegen 4 Uhr am Nachmittag machen wir uns schließlich auf und treffen uns nochmal mit unserer Gruppe. Wir besteigen die Spitze der Insel – wer nicht will, muss natürlich nicht – und besichtigen den Tempel Pachatata. Hier, an der höchsten Stelle, besteht auch die einzige Chance auf ein wenig Handynetz, wenn man den richtigen Anbieter hat. Den haben dann wohl weder ich noch Ruth, die daher später noch einmal zu einem alten Münztelefon greift, das ein paar Anläufe benötigt. Ich empfinde die Ruhe als angenehm und die Aussicht vom Tempel aus über die Insel lohnt definitiv, auch wenn der Aufstieg furchtbar steil ist. 

 

Beim Abendessen setzt sich diesmal auch Pabla zu uns und fragt, ob wir nicht auch Quechua sprechen – oder, wie sie es ausspricht: „Quischua“. Spanisch spricht sie nur sehr wenig, damit sind wir schon zwei. Ich finde es unglaublich faszinierend, wie sich die indigenen Sprachen rund und auf dem Titicacasee erhalten haben, wenngleich auch das von Generation zu Generation immer weniger wird.

 

Was die Schuldbildung entsprechend betrifft: Die primäre Schule durchlaufen zwar alle (bis so 10-12 Jahren ca., je nachdem). Die weiterführende Schule befindet sich jedoch in Puno und nur 2-3 von 10 Kindern besuchen diese. So sieht es übrigens in ganz Peru aus, was die Provinzen betrifft.

 

Abends kleidet uns Pabla in die traditionelle Tracht der Amantani. Erst dachte ich: muss das sein? Ist das nicht albern und total gekünstelt? Doch in Tracht ging es dann zu einem Fest, wo die Gruppe wieder zusammenkam, samt Gastvater oder Gastmutter und Livemusik (die... okay, sie war okay!). Die Party geht gerade mal 1,5 Stunden, doch ja, ich gebe zu, es hat schon Spaß gemacht, wenngleich Ruth und ich uns sehr mit dem Tanzen zurückgezogen haben haha. Ein runder Abschluss für den Tag!

Insel Taquile

Am nächsten Morgen ging es, nach einem guten Frühstück, wieder zurück auf das Boot. Eine Stunde brauchen wir nach Taquile, bei der es sich um die drittgrößte Insel auf dem See handelt. Ca. 3000 Menschen leben auf der Insel, die im 16. Jahrhundert noch als Gefängnis fungiert hatte. Der ehemalige Name lautet übriges Intika, was übersetzt Sonnenblume bedeutet. Hochzeiten gehen hier übrigens eine ganze Woche lang ;-)

 

Auch hier spricht man Quechua und zusammen mit Amantani bilden die beiden Inseln zusammen einen Distrikt. Als wir ankommen sehen wir Amantani von Weitem sowie den Regen, der sich darüber ergießt. Auf Taquile hingegen scheint die Sonne und ich genieße es den Wanderweg entlang zu spazieren. Es ist herrlich hier!

 

Wir sammeln uns alle wieder am Hauptplatz, der ein wenig heruntergekommen ist, ehe es weiter hinauf zum Mittagessen geht. Viel zu machen gibt es nicht, die Aussichten sind jedoch mehr als genug wert. Ein gemütlicher Vormittag vergeht so auf Taquile, ehe wir uns am Nachmittag auf den Weg zurück nach Puno machen.

 

 

Ich muss sagen, ich bin positiv überrascht von dem Ausflug auf die Inseln gewesen. Während mir Uros nicht zugesagt hat, hat mich Amantani völlig überrascht. Es ist unglaublich friedlich und schön dort. Außerdem ist es eine gute  – und zudem sehr einfache – Möglichkeit ein traditionelles Leben in Peru kennen zu lernen, was ich wirklich jedem nur ans Herz legen kann.

 

Noch traditioneller wird es jedoch die Tage darauf, als ich mit Ruth ihre Familie in einem kleinen Dorf im Puno Distrikt besuche. Nie war ich so sehr von meinem Leben in Deutschland entfernt wie dort – aber das ist eine andere Geschichte und die soll ein andermal erzählt werden!


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