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Selbstverletztendes Verhalten (seelisch)

Warum tut der Mensch das, was er tut?

 

Das ist sicherlich eine Frage, die sich viele häufig stellen. Weshalb mache ich das? Wieso habe ich das getan?  Manchmal sind uns die Gründe hierzu nicht ganz klar.

Gestern kam ich, mithilfe einer Freundin, dazu das zu Reflektieren. Derzeit fühle ich mich wieder aus der Bahn gerissen, müde, geschafft, unkonzentriert, unmotiviert. Die Balance, die ich versucht hatte letztes Jahr vorsichtig wieder ins Gleichgewicht zu bringen und die sich nur so mühevoll in der Geraden hält, kippt momentan wie eine Wippe auf dem Kinderspielplatz. Unterfordert in der Arbeit, überfordert im Privatleben. Dort eine Zeitverschwendung, woanders fehlt mir diese Zeit. Frustrierend? Sicherlich.

Doch selbst wenn man die Zeit hätte, sie für sich als Freizeit auszugeben, machen wir oft nicht das, was uns wissentlich gut tut. Sei es, weil wir glauben, uns dies nicht verdient zu haben, das wir unmöglich jetzt etwas machen dürften, was uns Freude bereitet, denn immerhin gilt es noch zahlreiche Dinge zu erledigen auch wenn uns im gleichen Moment bewusst ist, das uns eben in diesem jenen Moment die Kraft dazu fehlt. Wir brauchen Pausen. Wir wissen, wir brauchen Pausen und erlauben uns solche doch zu selten. Ein anderer Grund hierfür mag die allgegenwärtige, stets verlockende Ablenkung sein. „Gleich.“, dachte sich der Prokrastinator und tat es doch nie. Online-Shopping, Social Media, Zocken, Streams – es mag für jeden etwas Anderes sein. Ich bin an dieser Stelle vielleicht ein wenig Medienbezogen, weil es mein persönlicher Faktor ist. Und ich bestreite nicht, dass uns diese Dinge Freude bereiten, ich würde jedoch so weit gehen und behaupten, wir machen es teilweise wie ferngesteuert, aus der Gewohnheit heraus, anstatt uns bewusst zu überlegen, was uns gut tun würde und warum wir etwas jetzt tun – oder nicht tun. Hinterfragen wir uns regelmäßig? Ich sage nein.

An dieser Stelle will ich nur kurz einhaken, dass es sich hierbei lediglich um meinen eigenen Standpunkt handelt. Für dein ein oder anderen vielleicht nachvollziehbar, für den nächsten unverständlich. Gerne lese ich daher eure Sichtweise in den Kommentaren!

Um auf den Titel des Beitrages zurück zu kommen – das Ganze zielt auf folgende Frage ab:

 

Warum vermeide ich die Dinge, die mir gut tun und tue Dinge, die mir nicht gut tun?

 

Und das ganz bewusst. Ich habe das hier als Selbstverletzendes Verhalten betitelt, denn tatsächlich ist es das, wenn auch auf einer anderen Ebene als es üblicherweise im Wortgebrauch ist. Ich habe mich mit dem Thema körperlicher Selbstverletzung nie auseinandergesetzt und kenne niemanden, der sich selbst etwas angetan hat. Für mich ist es denkbar, dass die Punkte zusammenhängen, dass das Eine zum Anderen führt, doch genauso gibt es zahlreiche mögliche Ursachen – auf jegliche Ecken des Themas einzugehen, würde wirklich den Rahmen sprengen.

Nachstehend einige meiner Beispiele um diesen „Dingen“ auch einen Namen zu geben:

v  Ich sollte bis spätestens 11 Uhr abends schlafen, um am nächsten Morgen fit zu sein und doch hänge ich allzu häufig noch am Handy/PC und mache nichts Anderes als Zeit nichtsnutzig vertrödeln.

v  Spazieren gehen ist schön und erfrischend und doch siegt meistens die Bequemlichkeit

v  Ich ertappe mich häufig dabei, wie ich sinnlos 30-60 min am Handy schlichtweg verschwende und kann es doch nicht aus der Hand legen.

v  Meditieren tut mir unglaublich gut und doch sage ich mir, ich bin nicht bereit oder schon zu müde. Meistens Letzteres, immerhin schiebe ich gerne alles nach hinten auf.

v  Ich lese gern. Ihr könnt ja mal raten, wie oft ich das dieses Jahr schon gemacht habe.

 

Das sind alles nur Kleinigkeiten, ja. Zahlreiche Kleinigkeiten. Wohin mit der ganzen, kostbaren Zeit? Wie, auf einmal ist Sommer – wir haben doch letzte Woche erst Weihnachten gefeiert? Nun, bewusst durch den Tag zu gehen ist wieder ein anderes Thema – ich schweife ab.

Worauf ich hinaus wollte, ist Folgendes: Wir sind uns unserer Taten bewusst. Wir wissen – zumindest in den meisten Fällen – recht genau was wir wollen und was wir dafür tun müssen. Auch, so behauptet man, ist der Mensch doch ein sehr logikorientiertes Wesen. Wie kann es also sein, dass wir in vielen Dingen – wie auch hier, wunderbar vorgeführt – so derart irrational handeln?

Wirft man nun mal einen Blick auf die Tierwelt erkennt man:

 

Wenn Tiere ihren natürlichen Lebensweisen nicht nachgehen können,
verletzen sie sich selbst (oder ihre Artgenossen).

 

Schweine, die sich gegenseitig beißen, Hühner die sich selbst picken. Setzt man das Grundprinzip voraus, das wir uns nicht so sehr davon unterscheiden, wird uns hier ein perfekter Spiegel vorgehalten.

Wir werden vielleicht nicht auf engstem Raum hinter Gitter gepfercht, doch unterscheidet sich das gedankliche Gefängnis, welches wir uns selbst schaffen davon so sehr?

Das ewige Hamsterrad: Aufstehen, Arbeiten, nach Hause kommen, Schlafen. Freundschaften und Familie pflegen. Ablenkung suchen. Probleme vor sich herschieben. Nie zur Ruhe kommen. Sich stets neuen Aufgaben gegenüberstehen sehen. Versagensängste. Kein Mut zur Veränderung. Gesellschaftlicher Erwartungsdruck. Das soziale Gefüge, aus dem wir nicht auszubrechen wissen. Die Sehnsucht nach Mehr, nach Neuem.

Routine gibt uns Sicherheit. Routine macht uns kaputt.

Was sind unsere natürlichen Verhaltensweisen? Das heute ist nicht natürlich – aber wir kennen nichts anderes mehr. Was sollen wir also stattdessen tun? Keine Ahnung. Und weil wir keine Ahnung haben und weil es auch verdammt anstrengend wäre, sich gegen das Bestehende aufzulehnen, bleibt es so. Bleiben wir so. Zwei Wochen Urlaub weg von allem, ehe uns der Alltag wieder in kalter Umarmung empfängt. Mehr gibt es nicht – wenn überhaupt. Zwei Wochen von zweiundfünfzig in einem Jahr. Es mag normal sein – aber natürlich ist das nicht.

 

Vielleicht spüren wir insgeheim, dass etwas nicht stimmt. Vielleicht ist das die ewige Suche nach innerer Zufriedenheit, Glück, wenn man so will. Vielleicht ist es daher so schwierig für uns eine gesunde Work-Life-Balance aufrecht zu erhalten, vielleicht ist es daher ein ewiges Abmühen. Vielleicht handeln wir daher so häufig so irrational, so ungewollt, so gezwungen. Einfach nur mangelnde Selbstdisziplin, all das hier Beschriebene eine fadenscheinige Ausrede oder doch ein Grund für ein möglicherweise seelisch selbstverletzendes Verhalten?

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