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Arbeit frustet.

Es frustet. Ich arbeite in Peru nun seit etwas mehr als 4 Monaten und weiß – das ist nicht viel Zeit. In Deutschland habe ich mein Fach gelernt, ich wusste was ich tat, kannte mich aus, man hat mich nicht selten um Rat gefragt – ein gutes Gefühl! Nachdem ich in der Branche bleibe, bin ich naiverweise davon ausgegangen, auch in Lima relativ schnell auf mein gewohntes Level zu kommen. Falscher hätte ich nicht liegen können.

 

Aber ist es wirklich so anders?

In Deutschland bin ich sorgfältig, gewissenhaft und effizient vorgegangen. Ich habe die schlechte Angewohnheit mehrere Dinge gleichzeitig zu jounglieren, anstatt eines nach dem anderen zu machen - klappt aber trotzdem. Auch konnte ich stets stolz darauf sein, neue Dinge schnell zu begreifen und entsprechend umzusetzen. Zudem hasse ich Fehler meinerseits – sie verfolgen mich ewig.

 Das sind nun alles Punkte, die nun plötzlich nicht mehr gelten bzw. sich nicht vermeiden lassen. Ouch.

 

Meiner Auffassungsgabe wurde allein durch die Sprache ein fetter Riegel vorgeschoben. Ich verstehe nicht, was die Leute untereinander sprechen. Schnelle Erklärungen kann ich mir schlichtweg nicht mehr merken – weil sie auf Spanisch sind. Ich muss mich dreimal vergewissern und wiederhole alles nochmal mit meinen Worten, woraufhin ich nochmal frage: Habe ich das so richtig verstanden? Nur um es in kürzester Zeit erneut zu vergessen. So viel kann ich gar nicht mitschreiben.

 

Fehler passieren. Ständig. Auch in Deutschland. Alles andere wäre gelogen. Kleinigkeiten lassen sich dort auch meist problemlos beseitigen. Doch in Peru? Da schlägt alles nochmal größere Wellen und hopsala, schon hat man eine Strafzahlung an der Backe. Bah. Denn:

 

Effizienz sieht anders aus. Dabei liegt es nichtmal (nur) an den Prozessen innerhalb der Niederlassung, sondern an allen Zusammenhängen zwischen uns, dem Kunden, seinem Agenten, dem Reeder, seinem Hafenagenten, dem Coloader, dem Zoll an sich. Das ist nicht mal eben schnell eine E-Mail. Das sind tausende unnötige, wo man halt miteinkopiert ist, obwohl sie einen nicht betreffen und darüber hinaus: Alles muss im Original vorliegen. Könnte ja sonst jemand gefälscht haben.

 

Wenn ich vergleiche, was ich in Deutschland weggearbeitet habe – und wie wenig das hier im Vergleich ist, ist das belastend. Die Prozesse sind aufwändiger und dadurch fühle ich mich ausgebremst.

 

In den ersten drei Monaten war mir häufig langweilig (auch jetzt, immer noch zu oft für meinen Geschmack, aber es ist besser geworden). Ist schon klar, denn immerhin muss man erst alles lernen und der Lernprozess dauert um ein Vielfaches länger, wenn man Land & Leute nicht versteht. Na, wer hätte das auch ahnen können?

 

Ich blicke noch immer in vielen Sachen überhaupt nicht durch. Meine Kollegin Nicole hat mir einmal erzählt, sie war 2 Jahre in den USA – und die Firma hat unter 2 Jahre gar nicht angeboten, weil es sich sonst nicht für sie ausgezahlt hätte. Jetzt verstehe ich das. Man kann nicht Auswandern und glauben der Job funktioniert genauso gut wie zu Hause – da kann man noch sehr ein Experte vom Fach sein. 

 

Es frustet nicht ausgelastet zu sein. Es frustet noch nicht auf einem hohen, effizienten Level arbeiten zu können. Es frustet, mit Geschäftspartnern und Kollegen nicht so einfach sprechen und die Dinge bereden zu können. Es frustet, sich bei jeder eingehenden E-Mail zu fragen, was steht dort und bei jeder Ausgehenden, habe ich das richtig formuliert? Es frustet, ständig um Hilfe fragen zu müssen und nicht selbstständig zu sein. Es frustet, nicht alle Abläufe vollends zu kennen. Es frustet, Erklärungen zum wiederholten Male nicht zu verstehen. Es frustet, weil man es anders kennt und es woanders auch anders geht. Doch an diesem ‚woanders‘ bin ich nicht mehr – und das ganz freiwillig.

 

Obwohl all diese Dinge einen wahrlich unzufrieden stimmen, bin ich nach wie vor froh. Ja, manchmal verzweifle ich wirklich – doch wenn das der Preis ist für all das neue Wissen, die Erfahrungen und Einblicke, dann fällt die Entscheidung nicht schwer.

 

 

Und manchmal, da muss man sich einfach Luft machen, um wieder klar nach vorne sehen zu können!


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