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INTERPOL

Ich schlief unruhig, diese Nacht. Tags zuvor hatte ich einige Informationen zur Einwanderung erhalten und am Donnerstag, den 09.05.19 sollte ich nun den ersten Termin wahrnehmen. Bei INTERPOL. Richtig gelesen. Aber bringt man das nicht nur mit Schwerstverbrechern in Verbindung? Na hoffentlich werde ich nicht wie einer behandelt!

 

Kurz vor dem Weckerklingeln um halbsechs wachte ich von selbst auf. Das passierte mir diese Woche regelmäßig – ungewöhnlich für mich als Schlafmütze! Um 06:30 Uhr sollte mich ein gewisser Sr. Sanchez* abholen. Vorneweg sei gesagt: Die Firma hatte für diese ganze Sache – meine Sache – eine externe Rechtsberatung beauftragt. Er sollte mich also zudem begleiten und übersetzen, wenn nötig, denn dafür wird er bezahlt – so der Wortlaut meiner Chefin.

 

 

 

Nur bemerkte ich sofort, noch ohne ein Wort zu fragen, dass dieser Mann sicherlich kein Englisch sprach. Hätte er mir nicht den seine Identität bewiesen, wäre ich bestimmt nicht ins Auto gestiegen. Da war mir schon unwohl bei der Sache, denn verflucht noch eins, ich verstand auf Spanisch einfach nichts! Also brach ich zum ersten Mal den Vorsatz meine Mobilen Daten nur im Notfall zu verwenden (denn oh, diese hohen Auslandsgebühren!) und schrieb meiner Chefin. Die meinte nur ganz unbesorgt, bei INTERPOL sprach man ganz sicher Englisch. Außerdem erhielt ich per WhatsApp eine Nachricht von einem gewissen Miguel Morada*, der mir tatsächlich eine Nachricht auf Englisch hinterließ.

 

Englisch! Vielleicht bestand ja doch noch Hoffnung für das Verhör. Ein Bild von ihm war auch dabei. Als wir uns schließlich durch den Verkehr durchgequält hatten, verstand ich gerade so viel von meinem Fahrer, dass er solange auf der anderen Straßenseite warten würde. Den Anwalt fand ich sofort. Nur sprechen tat er keine Sprache, die ich verstand. Bei ihm war jedoch ein Mann namens Steven, der soweit alles für mich übersetzte. Ein extra Übersetzer also? Es hat eine Weile gedauert, bis ich verstanden hatte dass er – ein Amerikaner, der mit einer Peruanerin verheiratet ist – schlichtweg den selben Rechtsberater konsultiert hat und so mehr per Glück und Zufall zur selben Zeit am selben Ort war, wie ich.

Und ich? Tja, ich verstand wirklich gar nichts. Zuerst sind wir durch das schwarze Tor und ein paar Ecken auf dem Gelände weiter. „Departamento de ficha de canje internacional“ stand schließlich angeschrieben. Dann ging Miguel einfach wieder und wir setzten uns. Es war Steven, der Amerikaner, der dann nach einer Weile umsehen herausgefunden hatte, dass wir zwei Formulare ausfüllen – und uns entsprechend unserer Nummer platzieren mussten. Überall standen oder liefen Polizisten in Uniform herum (aber unbewaffnet, glaube ich, wobei ich ehrlich gesagt nicht darauf geachtet habe). Ich hatte kaum einen Stift (glücklicherweise hatte ich noch einen in die Tasche geschmissen und glücklicherweise schrieb er schwarz – das wollte man wohl so haben.) in die Hand genommen, da scheuchte man die Anwesenden schon wieder auf. Es war eine Gruppe von ungefähr dreißig Leuten, die einen Gang weiter geführt wurde. Halb an der Mauer, halb im Stehen versuchte ich die Zettel weiter auszufüllen – wer weiß wo und wann wir diese abgeben mussten? Die Anweisungen wurden stets nur auf Spanisch gebellt. Steven erklärte mir, dass es wohl zur Zahnprüfung ging und übersetzte mir einige Sachen auf dem Formular, die ich nicht verstand. Immerhin war das meiste auf den Papieren in diesem Falle auch zusätzlich auf Englisch angegeben, also war dies das kleinste Problem. Kaum waren Zähne geprüft und einige Notizen zu meinen Beißerchen gemacht, ging es zurück in den Warteraum.

Daraufhin wurden unsere Pässe eingesammelt, man wollte die Nummer der Zahlungsbestätigung für den Aufwand wissen (hatte der Rechtsberater übernommen) und wofür man denn ins Land einwandern wollte. Dann wurden Fotos gemacht. Das ist sicherlich genauso schön geworden, wie das am Flughafen – ich fühle mich immer komisch, wenn ich dafür meine Brille abnehmen muss und dann halbblind irgendwo hinstarre.

 

Am Besten fand ich die Abnahme der Fingerabdrücke. Kein technischer Schnickschnack oder sowas, nein. Im Warteraum stand ein Beamter der fröhlich mit schwarzer Stempelfarbe einen Abdruckstreifen bepinselte und dann die Hand der Antragsteller erst in die Tinte und dann auf das Formular drückte. Immerhin waren sie so freundlich uns auch ein Feuchttuch zum Saubermachen zu geben.

 

Dann hieß es wieder warten. Dieselbe Frau, die uns vorher zur Zahnkontrolle geschickt und unsere Pässe eingesammelt hatte, saß nun vorne wie die Lehrerin am Pult einer Klasse. Mit 30 Leuten kamen wir einer Schulklasse ja auch recht nahe. Und den strengen Lehrerblick hatte diese Polizistin auch drauf. Einige kamen stillschweigend dran, andere wurden befragt. Steven meinte noch zu mir, wenn sie mich was fragt, soll ich ihn einfach holen. Ich betete, dass keine Worte nötig waren.

 

Meine Gebete wurden nicht erhört. (Naja, bin ja auch konfessionslos…) Als mich die Beamtin ansprach, öffnete ich nur den Mund und wusste gar nicht was ich sagen sollte. Ich war sowieso den ganzen Tag schon verwirrt gewesen. Ich mochte es die Dinge zu hinterfragen und sowieso war es eigentlich eine Voraussetzung für mich zu verstehen, was um mich herum passierte. Wenn man der Sprache allerdings nur äußerst gebrochen mächtig ist, die Stunden vorher nur so mitgeschleift wurde ohne zu verstehen was gerade abging und sowieso nichts nach dem Plan verlief, der mir mitgeteilt wurde (oooh, unplanmäßige Geschehnisse kann ich so überhaupt nicht leiden!), dann bleibt einem schon mal die Stimme versagt.

 

 

Ich drehte mich nur hilfesuchend nach Steven um, aber der hatte mein Dilemma bereits bemerkt und war längst auf dem Weg.  Im Grunde war die Frage wohl nur gewesen, ob mir eine Kopie von dem Stempel im Reisepass vorlag, den ich bei der Einreise am Flughafen erhalten hatte. Meines Erachtens nach hatte sie dafür aber unnötig viele Worte verwendet! (Zumindest kam mir das so vor. Seufz.) Also gab ich ihr die Stempelkopie, sie tackerte es an die Antrags/Zahlungsanweisung (was auch immer das genau war. Es nannte sich jedenfalls „Constancia de Pago de Tasas – PNP“) Pago de Tasas heißt tatsächlich nur Zahlung der Gebühr (das konnte ich gerade noch übersetzen), aber ob dahinter noch mehr steckt – ich habe keine Ahnung.

Das Formular mit meinen Fingerabdrücken muss sie wohl auch behalten haben, auch wenn ich mich nicht daran erinnern kann. Aber ehrlich gesagt habe ich nichtmal mitbekommen, dass sie die Kopie des 30-Tage-Stempels behalten hat bzw. dazwischen getackert hat. Ich hab mich gewundert wo der hin ist, da hat Steven mir das gesagt. Meine Güte, ich stand wohl wirklich neben mir! Dann hieß es wieder warten, während unsere Daten geprüft wurden. Als wir wieder mit unserer Nummer aufgerufen wurden, wurde die Pago de Tasas abgegeben und wir erhielten stattdessen die heißbegehrte „Ficha de canje internacional“.

Was genau das nun für ein Zettel ist? Ich habe keine Ahnung! Da wurde dann auch gar nichts mehr gesagt, es war wieder Steven der mir erklärte, ich sei fertig und dürfe jetzt gehen. Oh. Okay! Im Nachhinein bin ich wirklich ziemlich erledigt von der Tatsache, einfach nichts von den Anweisungen verstanden zu haben. Noch drei solcher Termine – wenn ich keinen habe, der mir übersetzt, bin ich bei so einem Bürokratismus völlig aufgeschmissen! Aber das ist eine Sorge für nächste Woche. Ich torkelte also aus dem Warteraum. Zwischenzeitlich war schon eine weitere Gruppe da, die hatten solange draußen stehen bleiben müssen und wurden (während wir noch drinnen abgefertigt wurden), bereits auch schon in Gruppen zur Zahnprüfung und der Fotografin geholt.

 

Die Ficha hat mir der Anwalt dann direkt wieder weggenommen. Hier wurde ich allerdings darauf hingewiesen, dass das möglich ist. Darum nahm ich es einfach hin. Vorsichtshalber habe ich ja ein Foto gemacht.

 

Es war auf jeden Fall eine merkwürdige Erfahrung. Ein bisschen fühlt man sich schon wie in einem Verhör: Alle möglichen Daten werden aufgenommen, während man nichts zu melden hat. Reine Abfertigung.

 

Zwischendrin hatte ich das Gefühl, wirklich als Einzige kein Spanisch sprechen zu können. Dabei waren auch viele Asiaten unter den Antragstellern. Bildete ich mir das also nur ein oder sind wirklich alle der Sprache mächtig, an der ich so verzweifle?

 

Ich bin Steven jedenfalls zu großem Dank verpflichtet. Dadurch habe ich mich weniger auf mich alleine gestellt gefühlt und er hat sich wirklich über alle Maßen bemüht. Für ihn war es vermutlich keine große Sache, aber für mich bedeutet diese Hilfe ziemlich viel. Miguel übrigens hat uns da nur abgeliefert und dann wieder vor INTERPOL gewartet.

 

 

Spannend war es allerdings trotzdem. Wer kann schon von sich behaupten, dass er mal bei INTERPOL gesessen hat?

 

 

 

 

 

 

*Namen geändert.

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Kommentare: 1
  • #1

    Silke Berthold (Sonntag, 12 Mai 2019)

    Liebe Katrin,
    das ist so genial! Ich kann dich gut verstehen. 1 Woche Japan hat mir gezeigt, wie orientierungslos ich ohne Sprache bin.
    Die Behörden sind ein ganz besonderer Ort.... in jeder Sprache.
    Offensichtlich legen sie aber Wert darauf, dass sie alle Einzelteile von dir identifizieren können. Das beunruhigt mich ein wenig...�

    Ich kann dir nur raten, schaue Fernsehen, damit du dich an die Sprache gewöhnst. Es dauert. Gib dir ein paar Monate �.
    Dicke Umarmung �