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Die Rollende Eisenschlange

Mein Lieber Freund Dji-Gu! Ni hao.

 

Jüngst wurde mir ein Ereignis zuteil, wovon ich dir gerne berichten möchte. Es begab sich, dass ich einem Freund zu einer Reise begleiten sollte. Der Norden war unser Ziel und ich war nur erstaunt, warum er bei seiner Reiseplanung so gelassen vorging. Das Meer war weit entfernt, wir würden doch gewiss eine Weile brauchen? Selbst wenn mir die geographischen Begebenheiten des europäischen Landes nicht so geläufig sein sollten, war dass doch selbst innerlands gesehen ein weites Ziel. Doch er lachte nur, als ich ihm von meiner Sorge erzählte und so blieb mir nichts anderes übrig, als mein vollstes Vertrauen in seine Hände zu legen.

Und ich wurde nicht enttäuscht! Wie sich herausstellte sind die Reisebedingungen hierzulande um ein Weites forgeschrittener. Was verwunderte es mich eigentlich noch! Bin ich doch schon seit einer Weile hier.

Der Beginn unserer Reise vollzog sich an einem mir merkwürdig erscheinenden Ort. Er war groß und laut, so wie viele der öffentlichen Plätze der Großnasen. Besagte liefen wie üblich geschäftig, hektisch umher und nahmen sich keine Zeit mehr für die Wunder der Welt, wurden diese doch schon längst als Normalität angesehen. Mein Freund aus dem Jetzt zog mich eilig weiter, nun waren wir also doch spät dran! Es war mir ein Rätsel wie wir innerhalb eines Tages das ganze Land durchqueren wollten, aber gut. Moment – nicht gut!

Abrupt blieb ich stehen, riss mich von meinem Freund los. Dieses Ding sollten wir betreten? Niemals! Es würden uns verschlingen, mit Haut und Haaren, eine hinterhältige List! Mein Freund stöhnte nur, als er meinen entsetzten Gesichtsausdruck begegnete.

»Kao-Tai, nicht jetzt!«, meinte er mit einem Seufzen.

»Oh doch jetzt! Mein lieber Freund, dass kann doch wohl nicht dein ernst sein? Welches Hexenwerk deiner Zeit ist dies nun schon wieder? Ich kann mich nicht damit anfreunden, ganz und gar nicht, wer weiß welch düstere Absichten es hegt?«

Er ignoierte mich eiskalt. War das zufassen? Weitere Großnasen betraten die Eisenschlange, schienen sich nichts dabei zu denken, aber das taten sie sowieso nie. Stumpf waren ihre Sinne geworden, sie akzeptierten alles ohne darüber Nachzudenken! Mein Freund nutzte den Moment meiner Ablenkung um mich ebenfalls in die Eisenschlange zu ziehen. Keinen Augenblick zu spät, schon schloss sich mein einziger Fluchtweg und es dauerte nicht lange, da setzte es sich in Bewegung. Es ruckte und zuckte, konnte sich nicht ganz für eine Richtung entscheiden, wie mir schien. Wie ich schnell feststellen konnte, handelte es sich um kein lebhaftes Tier, das war von außen schon festzustellen gewesen, konnte mir dabei jedoch nicht ganz sicher sein. Innen befanden sich keine Gedärme, sondern Sitzplätze und Tische, wie in einem Haus. Faszinierend! Eine Kreuzung aus einer rollenden Eisenschlange und einem Haus. Zugegeben – einem sehr vereinfachtem Haus, doch anscheinend war dies nur eine Überganslösung zu unserem Zielort? Wie dem auch sei – es hatte mich nicht gefressen, also konnte ich beruhigt ausatmen. Wobei ich tatsächlich sagen muss: unsere damalige Art zu reisen mochte länger gedauert haben, doch war man nur von sich selbst abängig gewesen und nicht von einer Eisenschlange, welches die meisten der Großnasen – so vermutete ich – nicht einmal verstanden. Wie bewegte es sich genau fort? Woher kannte es seinen Weg? Welche Energien wurden für die Fortbewegung benötigt? Wer plante das alles, wer hatte die Macht über diese Eisenschlange? Meine Füße, mein Pferd – das war klar, das war überschaubar gewesen. Außerdem sah man auf diese Weise etwas von der Landschaft, begegnete fremden Menschen, lernte neue Dinge kennen. Hier verschwamm mein Blick, die Landschaft zischte in Windeseile vorüber. Diese Geschwindigkeit beängstigte mich zugegebenermaßen, es war mit Sicherheit gefährlich, gefährlicher als die Angst vor einem Überfall bei uns zu Hause. Oder? Ach… noch war ich nicht lange genug hier um alle die Dinge der Neuzeit verstehen zu können und ich frage mich wirklich, ob ich es jemals schaffen kann.

 

Dein Freund

 

Kao-Tai

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