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Abwärts auf der Death Road

Auch wenn ich am liebsten direkt aus La Paz flüchten wollte – eine Sache wollte ich mir auf keinen Fall nehmen lassen: Eine Abfahrt auf der Camino de la muertedie gefährlichste Straße der Welt.

Die Todesstraße erhielt ihren Namen nicht ohne Grund, hat sie doch unzählige Verkehrstote auf dem Gewissen. Sie verbindet La Paz mit dem Amazonas Regenwald und schlängelt sich infolge des gewaltigen Höhenuntereschieds in kurvigen Serpentinen die Anden hinab. Der Weg ist unfassbar schmal – zwei Fahrzeuge nebeneinander sind eine eher ungünstige Idee – und Leitplanken zur Sicherheit gibt es nicht, was zu zahlreichen Abstürzen geführt hat. Der schlimmste Unfall ereignete sich 1983, als ein Bus ins Schleudern geriet und 100 Insassen mit in den Tod gerissen hatte.

Die Death Road wird ihren Namen also gerecht. Warum dennoch so viele Reisende scharf auf einen Besuch sind? Ganz einfach: 2007 wurde eine neue Straße eröffnet, was den Kraftverkehr auf der Alten quasi ausgerottet hat. Seither ist sie eine beliebte Mountainbike-Strecke. Da Fahrräder von Natur aus um einiges schlanker sind und die Touren lediglich abwärts verlaufen, sind die Unfallzahlen extrem gesunken. Und, ganz im ernst: Mit dem Mountainbike tausende Höhenmeter hinuntersausen – wer würde sich das entgehen lassen?

Übrigens: Der offizielle Name der Death Road lautet „nördliche Yungus-Straße“. Es gibt auch eine südliche Parallelstraße dazu. Ebenso gefährlich, trägt jedoch keinen so imposanten Beinamen und daher interessiert sich niemand dafür.

Wie kommt man auf die Death Road?

Es gibt – wie immer – zahlreiche Anbieter um in einer Gruppe die Fahrt zu bewältigen. Auf eigene Faust gestaltet sich bei diesem Unterfangen eher umständlich. Der Inhalt ist bei allen ziemlich ähnlich, der Preis unterscheidet sich dabei jedoch enorm.

 

Mein Hostel 3600 vermittelte an die Barracuda Biking Company, die auch auf tripadvisor gut abschneiden und preislich im Mittelfeld liegen.

Im Reiseführer, aber auch auf anderen Blogs, wird zumeist Gravity Bolivia beworben, die mit 125 $ die Preisklassen anführen. Ich muss sagen: Der Preis war es mir auf jeden Fall wert.

Von den allergünstigsten Anbietern rate ich ab, man will ja auch das sein Fahrrad im guten Zustand ist und nicht plötzlich die Bremsen ausfallen (wer weiß, wer weiß?).

 

Ich habe dann vorort gebucht statt online, was mir den Vorteil verschaffte, Kleider-, Handschuh- und Helmgrößen vorab anzuprobieren. Außerdem bekommt man darüber hinaus ein Gratis T-Shirt und ein Losgewinn per Fahrradroulette :) (zB eine WalkingTour oder ein Kartenspiel von Gravity). Wer ein zeitlich enges Fenster hat, sollte durchaus im Voraus buchen, aber zum einen hatte ich das nicht und zum anderen war ich zum Ende der Regenzeit unterwegs und konnte beim kurzfristigen Buchen auch die Wetterlage miteinbeziehen.

 

 

Fun Fact: Unser Guide kam zwei Wochen vorher bei einer Tour von oben bis unten schlammüberströmt zurück – Puh!

Die Tour

Morgens gegen 6 Uhr wurde ich direkt am Hostel abgeholt. Da um diese Uhrzeit oftmals noch kein Frühstück angeboten wird, hielten wir an einem kleinen, lokalen Markt – bessere (und günstigere) Stärkung mit Mate de Coca konnte es kaum geben! Das Frühstück war übrigens als einziger Punkt nicht im Preis inkludiert - aber bei den Essenspreisen in Bolivien ist das nun wirklich keine große Sache.

 

Danach ging es erstmal per Van raus aus der Großstadt. Wir hielten in La Cumbre auf 4700 Höhenmetern – es war scheiße kalt! Dort wurden wir in unsere Ausrüstung gesteckt. Fahrradjacke und -hose zog ich direkt über meine bereits dicken Sachen. Handschuhe waren ein Muss, Gelenkschützer kann, wer sich unsicher fühlt. Auch beim Helm gab es neben der Standardvariante noch jene, mit Rundumschutz – schützt besser, nimmt jedoch auch viel von den Eindrücken der Umgebung.

 

Unsere Mountainbikes wurden auf uns eingestellt. Gravity wirbt damit, dass sie der einzige Anbieter seien, der Bikes mit einer Federung vorne und hinten anbietet – anstatt nur einseitig. Unser Team bestand aus 2 Guides, 1 Fahrer und 7 Touris – eine sehr angenehme Größe. Nach der Einweisung und den ersten Bildern ging es dann auch schon ab auf die Straße!

 

Noch war sie asphaltiert – noch herrschte auch Verkehr, auf den wir acht geben mussten. Ein kurzes Stück aufwärts überbrückten wir dann nochmal per Van, weil die Mehrheit nicht aufwärts radeln wollte – bei über 4000 Höhenmetern warnte unser Guide uns auch, das nicht zu unterschätzen.

 

 

Von den insgesamt 64 km gehörten die ersten 20 noch gar nicht offiziell zur Death Road. Das machte jedoch nichts, bei der Aussicht ist es mir ganz egal, wie die Straße nun heißt – sie ist einfach fantastisch!

Wer sich an die Instruktionen hält, dem sei die Abfahrt sicher. Es herrscht Linksverkehr, überholt wird nur, wenn zuvor laut 'rechts vorbei' gerufen wird und auch ansonsten ist die Fahrt sehr entspannt. Sicher begegneten wir anderen Gruppen, aber es verteilte sich alles in allem recht gut. Anstrengend war es auch nicht – es ging ja (fast) nur bergab :D Da bekamen wir eher einen Krampf an den Händen, die ja permanent auf der Bremse liegen mussten.

 

Es gab genug Fotostopps, Pausen und Geschichten, wie jene, dass ein Mann bei einem der vielen Verkehrsunfälle damals seine Familie verloren hatte und seither in jener Unglückskurve stand, um mit roter und grüner Flagge die Durchfahrt sicherzustellen. Er bekam dafür kein Geld, aber die vielen Fahrer auf der Straße dankten es ihm und das Dorf am Fuße sorgte für seine Verpflegung. Verrückt, oder?

 

Am Beeindruckendsten ist sicherlich das ständig wechselnde Panorama. Von der kargen Kälte hoch oben bis ins Tal an den Toren zum Amazonas Regenwald – die Aussicht ist ein Spektakel. Wahlweise lässt sich das Ende auch per ZIP-Line gestalten, ich bin auch die letzten Meter lieber mit dem Fahrrad gefahren.

 

 

Ordentliche Stärkung bei einem späten Mittagessen gab es mit Gravity bei La Senda Verde. Was hierbei das Besondere ist? Es ist eine Art Tierauffangstation, in dem sich um verletzte oder ausgesetzte Tiere gekümmert wird. Der Unterschied: Neben den umsorgten Tieren, sind auch die Menschen innerhalb der Käfiggitter. Das bezweckt, dass sich auch wilde Tiere annähern können. Beim Buffet hat ein frecher Affe durch ein Loch im Dach geschaut und kletterte auch sonst darüber hinweg. Es gibt auch kurze Touren durch die Anlage, was ziemlich interessant ist – jedoch nicht immer auf Englisch verfügbar. La Senda Verda kann auch unabhängig von einer Death Road Tour besichtigt werden.

Danach ging es zurück – aber da ich von La Paz ja die Schnauze voll hatte, wollte ich die Nacht lieber noch weiter im Tal verbringen. Ein Taxi nach Coroico wurde mir von Gravity aus bezahlt – zumindest bis zum Dorfplatz. Danach wollte ich zur Unterkunft laufen, was ein ziemliches Stück war, doch das hat sich bezahlt gemacht. Die Unterkunft Hostel Sol y Luna liegt außerhalb auf dem Berg, mit einer fantastischen Aussicht auf die grünen Anden und einem riesigen Waldgrundstück, auf dem man sehr gut ausspannen kann. So gut, dass ich spontan noch eine zweite Nacht blieb c: (Nur Anti-Mücken-Spray solltet ihr da auf jeden Fall mit einpacken!)

 

Alles in Allem hat die aufregende Abfahrt auf der Death Road und das anschließende Seele baumeln lassen in Coroico mich wieder auf positiven Kurs gebracht! So konnte es wieder weitergehen – leider sollte dies die letzte richtig coole Aktion vor der Pandemie werden. Dafür bleibt sie mir jedoch umso stärker im Gedächtnis!

 

 

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