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Chaos in La Paz

Drei Tage hatte ich für's Erste gebucht – doch dank des Diebstahles meiner Kamera hätte ich am liebsten sofort wieder meinen Rucksack aufgeschnallt. Aber noch wollte ich der bekanntesten Stadt Bolivien's eine Chance geben.

Mein erster Weg führte mich zur Polizeistation. Allein das hat mich den ganzen Vormittag und mein bestes Spanisch gekostet. Außerdem musste ich meinen Handytarif aufladen und suchte dazu einen Laden – auch das war komplizierter als erwartet. Straßen hoch und runter ging es in der bergigen Stadt und daraus habe ich noch eine Lektion gelernt: Schlafmangel und Höhenluft vertragen sich überhaupt nicht gut. Obwohl ich nun schon fast 2 Wochen auf über 3000 Höhenmetern herumspazierte, konnte ich an meinem ersten Tag in La Paz keine fünf Meter gehen, ohne das es mich wieder nach einer Pause verlangte. Puh!

 

(Warum Schlafmangel? Ach, den Frust über den Verlust meiner Kamera habe ich mit sehr vielen Folgen Netflix besänftigen wollen – allerdings war es früh im Hostel laut, also war ausschlafen nicht drin. Dumme Idee.)

 

Hat La Paz die zweite Chance genutzt, die ich ihr gegeben habe? Lasst mich euch verraten – Nein.

Zu empfehlen ist jedenfalls eine Walking Tour – die von RedTours hat viel Spaß gemacht und war gleichzeitig außerordentlich informativ. Zudem war sie auf Englisch. Mit viel Witz gab es dazu einiges an Insider Wissen. Mit der Teleferico zu fahren ist nicht nur super günstig, man hat auch eine fantastische Aussicht über die Stadt, dessen Häuser und Gebäude sich über die Hügel der Anden bahnen.

La Paz ist allerdings vor allem laut, hektisch, beengt. Die Gehwege sind schmal, es wird gedrängelt, der Verkehrslärm und der mit ihm kommende Gestank sind eine ganz eigene Hausnummer. Ich habe 9 Monate in Lima gelebt und dachte mich kann in der Hinsicht nichts mehr schocken, aber La Paz hat mich gern. Grün gibt es nur wenig. Ein Ruhepol im Zentrum bildet der Mirador Killi Killi – doch der Aufstieg dahin hat es in sich. Dank der Höhe ist der Weg mit einem gemütlichen Spaziergang nicht zu vergleichen.

Die Märkte enttäuschen, die angepriesene Feriada erstreckt sich zwar über eine gigantische Fläche in El Alto, bietet aber nur wenig Besonderheit. Der Hexenmarkt, den ich voller Neugierde entgegentrat, war enttäuschend klein – und tote Alpakababys wollte ich nun wirklich nicht sehen.

(Disclaimer: Die Tiere werden nicht getötet, sondern sind hier solche, die es nach der Geburt nicht schaffen. Hier hängt sehr viel Tradition und Aberglaube dran.)

 

Auf das Cholita-Wrestling, welches hier so gefeiert wird, habe ich dann dankend verzichtet.

In der Stadt war ich nur noch auf eines aus: eine neue Kamera. Wo, wenn nicht in La Paz, sollte ich sonst fündig werden? Und die Suche begann.


Kamerajagd

Zuallererst fragte ich im Hostel und die Jungs von der WalkingTour nach einem Tipp – unabhängig voneinander wurde ich zumindest dasselbe Straßenecke gewiesen. Nicht der nächste Weg, ziemlich am Rande des Zentrums, also schön.

Mein Plan sah wie folgt aus: Mit der Teleferico auf die Feriada fahren und sehen, ob ich zufällig das Glück hätte meiner eigenen Kamera als Gebrauchtware im Angebot zu finden – man wird ja mal noch träumen dürfen. Danach ging es mit einer anderen Linie der Seilbahn Richtung Friedhof, von wo ich mich auf die Suche machte. Nach fünfmal im Kreis laufen und zehnmal Leute fragen, die einen in verschiedene Richtungen wiesen, fand ich schließlich eine kleine Straße mit Läden, die unter anderem Fotokameras verkauften.

Das war der einfache Teil.

 

Der Plan war simpel: Selbes Kameramodel suchen, kaufen und von dannen ziehen. Tatsächlich hatte ich auch gehofft, dass die Preise in Bolivien günstiger sind. Aber nichts da. Nach einer Weile fand ich zwar das Nachfolgermodell, es lag aber weit über meinem festgelegten Budget. Uff. Also doch was anderes? Ich kannte mich allerdings nicht aus, hatte keine Zeit gehabt mich ausgiebig zu informieren und die Jungs, die dort arbeiteten, hatten selbst keinen Plan – die Sprachbarriere on top. In die Hand nehmen und ansehen war übrigens auch nicht drin, haben sie mir nicht erlaubt. Da Größe und Gewicht ein nennenswerter Faktor für mich war, war das ziemlich bescheiden. Mit der Hilfe vom Freund einer Freundin kam ich zwar zu einem Kompromiss, dann jedoch das nächste Hindernis: Bitte in bar bezahlen.

 

 

Ich sah den Verkäufer entgeistert an. In Lima und auch anderen Orten Peru's ist Kartenzahlung kein Problem, da muss man schon sehr in die Provinz geraten. Aber das war nicht mehr Peru. Und auch, wenn ich bereits bemerkt hatte, dass in Bolivien eine größere Scheu gegenüber Karten besteht, bin ich in einem Elektrogeschäft in La Paz nicht davon ausgegangen.

Wir reden von fast 8.000 Bolivianos – das sind eine Menge Scheine.

 

Diese Konfrontation von anderer Kultur ist es, was das Reisen ausmacht, der Fakt, stets die eigenen Gewohnheiten zu hinterfragen, zu überdenken, seine Perspektive zu wechseln. Gerade hätte ich aber gerne darauf verzichten können und war einfach nur frustriert. Boah!

Also bin ich abgezogen, auf der Suche nach dem nächsten Automaten – es gabt nur einen in der näheren Umgebung. Den blockierte ich dann erstmal eine ganze Weile, immer wieder das Maximum von 500 BOB abhebend – die Bank selbst hatte nämlich schon geschlossen. Hinter mir bildete sich eine Schlange wütender Bolivianer*innen, die ewig warten mussten und ihren Unmut laut kund gaben. „Lo siento.“, sagte ich, „Necesito más tiempo.“ Sorry, ich brauche mehr Zeit.

Tja, irgendwann war mein Tageslimit dann ausgeschöpft, ich will gar nicht wissen, wie viele Gebühren ich gerade zahlen hatte müssen und noch immer war es nicht genug für diese blöde Kamera. Die Beziehung mit dem neuen Gerät stand wohl von Anfang an unter einem schlechten Stern. Der Hunger machte mir zusätzlich zu schaffen – es gab nur nichts Greifbares – und ich war kurz davor aufzugeben und es am nächsten Tag nochmal zu versuchen. Aber ich hatte bereits jede Menge Scheine tief in den Hosentaschen – allein der Gedanke damit rumzulaufen machte mich kirre. Da war ich direkt gefundenes Fressen für den nächsten Raub – bloß nicht!

Also stakste ich zurück in den Laden, klatschte imaginär das Geld auf den Tisch (nein, ich behielt es erstmal in meinen Hosentaschen, aber ich hätte es wirklich gerne getan) und erklärte, mehr gibt’s nicht, ich will diese Kamera.

Tja, dann ging der Jungspund zu seinem Chef, ich kam im Gespräch nicht hinterher und siehe da: Ich kann den Differenzbetrag per Karte zahlen.

Ihr könnt euch meinen Unglauben kaum vorstellen. Hat der mir nicht vorhin standhaft erklärt, Kartenzahlung ging nicht, dass machen hier alle cash? Nur Bares ist Wares! Und dann sowas...

Er hatte sogar eine Antwort: Es kostet 2% mehr.

 

Ich sah ihn einfach nur stumm an. Das wäre mir in dem Moment auch schon egal gewesen. Vermutlich nahm es sich mit den Abhebegebühren nicht einmal was. Aber was soll man dazu noch sagen?

Über drei Ecken mit Bussen und Taxis und zu Fuß kam ich dann zurück ins Hostel, sperrte alles weg und wollte einfach nur noch etwas essen. Da es schon spät war, verlängerte ich auch noch um eine Nacht in dieser unsäglichen Stadt, denn an diesem Tag wollte ich mir keinen weiteren Gedanken mehr um Planung machen müssen.

Na, hätte ich gewusst, dass ich 2 Wochen später nach Deutschland eingeflogen wäre, hätte ich mir den Kauf auf jeden Fall gespart. Aber so ist das mit dem Leben, nicht wahr? Man weiß nie was als Nächstes passiert.

Was als Nächstes auf meiner Reise passiert ist? Nun, es ging definitiv wieder bergauf – emotional zumindest, rein physisch ging es bergab, sehr sehr weit bergab. Aber dazu mehr im nächsten Artikel!

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