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Ausgeraubt in La Paz!

La Paz! Oh, wie freute ich mich auf die bekannteste Stadt Boliviens! Nach Lima die erste Millionenstadt und nach der Ruhe der Anden im Colca Canyon und der stillen Idylle auf dem Titicacasee, nun eine belebende Metropole um wieder etwas Fahrt aufzunehmen!

So dachte ich zumindest. Gebucht hatte ich erstmal drei Nächte im Hostel 3600. Unternehmungen gäbe es aber für locker eine Woche, wenn nicht mehr. Erstmal die Stadt kennenlernen, sehen was es so gibt, durch die Straßen schlendern – auf jeden Fall mit der Teleferico fahren! Den Hexenmarkt aufsuchen – sowieso große Märkte! Eine Wanderung durch das Mondtal oder weitere – befanden wir uns nicht mitten in den Anden?! Vielleicht noch etwas Kultur und die Städten der Tiahuanaco besichtigen? Und natürlich: Die Death Road! Aber zu allererst einmal: Ab ins Hostel!

Neue Stadt, neues Glück. Oder Pech, wie in meinem Fall. Der erste Instinkt ist immer: Ankunft, Rucksack aufsatteln, Taxi und ab ins Hostel, einchecken und dann umsehen, mal die Lage checken. Diesmal nicht anders. Trotzdem nenne ich mich eine Närrin: Ich habe Warenhinweise zu Taxis und Fake-Polizei online zur Genüge gelesen und was hat es mir gebracht? Nada.  


Der Bus aus Copacabana kommt nicht an einem eigenen Busterminal an, sondern hält in der Nähe des Friedhofs mit unfassbar viel Verkehr drum herum. Als Deutsche*r kann man sich so einen Verkehr kaum vorstellen. Hektisch, laut, voll, ein Gedränge. Nach der 4stündigen Busfahrt und der Ruhe der letzten Wochen schrie alles in mir: Weg da. Raus aus diesem Nest.

 

Also winkte ich mir ein Taxi heraus. Wie immer, Preis verhandelt, etwas diskutiert, eingestiegen. Es handelte sich allerdings nicht um ein Radiotaxi. Wichtig für Bolivien: Es steht wirklich so auf dem Dachschild  „Radiotaxi“  - mit einer Telefonnummer versehen! Meines nicht. Aber es war der hellichte Tag, mitten am Nachmittag – was sollte schon passieren? Mein Drang zu Verschwinden war in diesem Moment größer als meine Vorsicht.

 

Kurze Zeit später wurde das Taxi in einer bemerkenswert ruhigen Seitenstraße angehalten. Ein Polizist beugte sich am Fahrerfenster zum Taxifahrer und bat um die Papiere. Erst nach einem weiteren Moment bemerkte er – wie scheinbar zufällig – mich auf der Rückbank und setzte sich auf daraufhin auf den Beifahrersitz.

 

Klar, sollte ich jetzt gleich ebenfalls kontrolliert werden. Ich verlangte den Ausweis zu sehen, aber machen wir uns nichts vor: Er hätte mir vermutlich ein ausgedrucktes Blatt Papier mit Laminat unter die Nase halten können und ich hätte nichts weiter gesagt. Was auch?

 

Meine Alarmglocken klingelten jedenfalls, gleichzeitig fühlte ich mich handlungsunfähig. Mein großer Rucksack befand sich im Kofferraum, den kleinen Tagesrucksack hielt ich fest. Der vermeintliche Polizist verlangte meinen Reisepass zu sehen und ich rückte ihn widerwillig heraus. Er schien die Daten telefonisch mit einer Bürostelle abzugleichen, was dadurch ziemlich echt wirkte. Während er auf Feedback wartete, klärte er mich über die Risiken in Bolivien auf – Falschgeld, Kreditkartenbetrug, Drogen – weswegen Kontrollen vonnöten seien. Er war dabei sehr einvernehmlich und ließ auch nicht locker.

 

Daraufhin wollte er meinen kleinen Rucksack nach Drogen und meine Geldbörse nach Falschgeld durchsuchen. Dadurch das ich ihm bereits zugehört und ihm meinen Pass gegeben hatte, war meine Hemmschwelle – wenn auch mein Misstrauen nach wie vor dasselbe war – gesunken. Die Börse gab ich nicht aus der Hand, ich nahm das Geld heraus, er blätterte sie durch und gab mir die Scheine zurück.

 

Mein Tagesrucksack war bis oben hin vollgepackt. In Copacabana hatte ich keine Zeit um umzupacken, daher war er voller als sonst und sowieso befanden sich alle meine Wertsachen darin. Nach und nach sollte ich die Tasche entleeren und zur Ansicht präsentieren. Dabei erkundigte er sich auch nach dem Inhalt in meinem pacsafe, in dem sich mein laptop befand, den ich nicht aus der Hand gab.

 

Anschließend verlangte ich die Sachen, die er beschlagnahmt hatte zurück, um sie wieder einzupacken. Stattdessen bestand er – zuvorkommenderweise – darauf, die Sachen selbst wieder einzupacken. Danach gab er mir den Rucksack zurück, erklärte mir, mit mir sei alles in Ordnung, aber mit dem Taxifahrer nicht – er müsse ihn jetzt auf das Präsidium begleiten. Noch bevor ich Blinzeln konnte, wurde ich aus dem Wagen geworfen.

 

Entnervt von dem, was gerade passiert war, suchte ich mir ein neues Taxi, welches es nicht einmal schaffte mich vor dem Hostel abzuladen. Angeblich sei die Straße gesperrt, dort vorne müsse es sein. Nur stellte sich heraus, dass der Fahrer mir die falsche Richtung gewiesen hatte und viel weiter vorne hätte abbiegen müssen. Das haben die Fahrer in Peru besser hinbekommen.

 

Fertig mit allem, checkte ich schließlich ein. Erst beim Auspacken meiner Sachen fiel es mir dann schließlich auf:

 

Meine Kamera war weg.


Mir war sofort klar, wo genau sie mir abhanden gekommen war und ich ärgerte mich so sehr über meine eigene Fahrlässigkeit. Sicher, so wie hier beschrieben, war der Betrug derart offensichtlich, dass man sich fragen kann, wie ich tatsächlich auf so etwas reinfallen konnte. Zumal ich auf anderen Blogs bereits von Fake-Polizei gelesen hatte.

 

Im ersten Moment weißt du erstmal nicht ganz wie dir geschieht, du weißt auch nicht recht, wie du dich am besten verhalten sollst. Das Schauspiel war wirklich gut. Zudem hat er mir keine Zeit gelassen, um einmal kurz richtig überlegen zu können. Mein Fokus war ganz auf das Gespräch sowie meine Sachen gerichtet – wenn ich sie im Blick behielte, was könne schon passieren? Doch ich wurde viel stärker abgelenkt, als gedacht. Erschöpftheit, Genervtheit und Unsicherheit spielten auf jeden Fall eine zusätzliche Rolle.

 

Auch gab es in dem Fall nur drei Möglichkeiten:

Abwarten und die Situation beobachten – das habe ich gemacht.

Versuchen aus dem Wagen zu flüchten und einen Teil meiner Sachen sicher zurücklassen – klingt ziemlich verwegen, oder?

Oder, gemeinhin als Empfehlung: Darauf bestehen auf die Polizeistation zu fahren – vielleicht direkt per Handy die Polizei rufen. So der allgemeine Rat, allerdings gleichzeitig die Bedenken dabei: Ich befinde mich als Frau alleine in einem fremden Wagen mit zwei zwielichtigen Männern und kann keine anderen Menschen zur Hilfe holen. Bei dem Gedanken was hätte noch passieren können, bin ich froh, dass ich gesund und heil geblieben bin. Es kam zu keiner Gewalt. Der Ärger über die verlorene Kamera und der Verlust der Aufnahmen ist frustrierend, aber im großen Ganzen nur ein unwichtiger Aspekt.

 

Am nächsten Tag ging ich zur Polizeistation – die Leute im Hostel hatten mir hierbei mit der Adresse geholfen. Ich brachte mein Anliegen vor, wenn auch nur für die Statistik, denn mir war klar, dass ich keine Chance auf Entschädigung hatte. Durch das Schreiben der Polizei konnte ich allerdings zu meiner Versicherung gehen – ein kleiner Trost.

 

Die Polizei hat übrigens nochmal bestätigt: Kontrollen werden nicht zivil durchgeführt. Der Pass mag auf den Straßen u. U. abgefragt werden, für Taschenkontrollen jedoch wird man aufs Präsidium gebeten. Also Leute – lasst euch nicht über's Ohr legen.

 

Mein Rat also:

1. Erst gar nicht in die Situation kommen – nehmt ein sicheres Taxi.

2. Darauf bestehen auf die Polizeistation zu fahren.

3. Sofern ernsthafte Gefahr besteht, gebt den Leuten was sie haben wollen. Dinge können ersetzt werden. Euer Leben nicht. Die eigene Sicherheit steht immer an erster Stelle.

 

Ich selbst habe mich weder an 1) und 2) gehalten – warum? Tja, das Wissen mochte da gewesen sein; Wissen jedoch auch anzuwenden ist eine ganz andere Sache. Sich selbst unverhofft in der Situation zu finden, damit konnte ich nicht recht umgehen. Ich bin davon ausgegangen früher oder später einmal beklaut zu werden, aber dass es durch einen Trickbetrug und schon nach 4 Wochen sein würde, nun, damit hatte ich nicht gerechnet – oder es nicht hoffen wollen. Ob ich das nächste mal besser umgehen kann? In erster Linie bleibt natürlich zu hoffen, dass es kein weiteres Mal geben wird. Die Lust am Reisen hat mir jedenfalls keinen Dämpfer verpasst – nur die Lust auf die Stadt La Paz selbst.

 

Übrigens, eine weitere Diebesgeschichte passierte einem Freund von mir.

Er war auf der Feriada in El Alto, dem größten Markt in Bolivien, unterwegs, das Handy tief in die Hosentasche gepackt. Die drei Typen, die sich anbahnten, konnte er bereits ausmachen und schlug  daher sofort eine andere Richtung ein. Trotzdem umzingelten sie ihn in Kürze, gaben ihm einen Schubs, er riss seine Hände instinktiv nach oben um sich zu schützen und schon war der Weg in die Hosentasche frei, das Handy rausgezogen und weg waren sie. Da hast du keine Chance.

 

Man kann sich definitiv vorbereiten, die richtige Kleidung hilft, Wertsachen auf keinen Fall öffentlich zeigen, versuchen nicht aufzufallen, sich vorab schlau machen, welche Orte es zu meiden gilt. Passieren kann dennoch immer etwas, überall, jederzeit.

 

 

Nichtsdestotrotz heißt es – frohes Reisen! Solche Geschichten gehören – leider – dazu, was die Erfahrungen durch das Reisen selbst jedoch nicht mindert. Seid ihr schon einmal in einer ähnlichen Situation gewesen oder ist euch etwas geklaut worden? Wie seid ihr damit umgegangen? Lasst es mich gerne in den Kommentaren wissen!

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