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Auf den Straßen von Lima

Eine Sache, in der man sich Inland wie Ausland einig ist: Der Verkehr in Lima ist furchtbar. 
Ich wusste das vorher. Theoretisch. Aber so ist das nunmal mit den Dingen, von denen man lediglich liest oder hört - man begreift sie nie vollständig. Und so hatte ich keine Vorstellung davon, wie furchtbar der Verkehr wirklich sein würde. 

Erstmal zur: Struktur

Das Straßennetz ist dabei eigentlich ziemlich simpel. Es gibt nummerierte Häuserblocks, an denen man sich gut orientieren kann. Es ist keineswegs so verwinkelt wie europäische Straßen, sondern zum Großteil geradlinig, mit nur wenigen abgeknickten Strecken und einigen Kreisverkehren. Und ich würde behaupten: Bei 90% davon handelt es sich um Einbahnstraßen. Es hat ein bisschen gebraucht, bis ich das gecheckt hatte - erleichtert jedoch sehr, wenn man weiß, dass man nur in eine Richtung schauen muss beim überqueren der Straße. Die Kennzeichnung durch Pfeile ist nämlich auf den Straßenschildern angebracht. Ich hege auch die Vermutung, dass sich die Farben der Straßenschilder nach Stadtviertel unterscheiden. In San Isidro sind sie dunkelgrün, in Miraflores hellgrün. Mir ist auch schon blau und weiß begegnet. 
Das mit den Einbahnstraßen muss als Autofahrer ziemlich lästig sein. Zum Teil muss man so erst ein wenig in die andere Richtung fahren, bis es eine Wendemöglichkeit gibt  (auf Hauptstraßen) oder man sucht sich einen anderen Weg.


Die breiteren Hauptstraßen sind in der Regel doppelspurig und in beide Richtungen befahrbar (was nicht heißen muss, das man auf beide Richtungen auffahren kann). Ich glaube Standard sind 2-3 Spuren, obwohl ich in der Stadt auch schon Strecken mit 5 Spuren gesehen habe. Das hindert die Peruaner jedoch nicht daran, auch noch eine sechste Spur zu bilden. 

Soviel zum Einstieg. 

Verkehrsverhalten

Es ist... wild. 
Vorausschauendes Fahren? Ist nicht. 
Jeder versucht sich immerzu irgendwo reinzuquetschen. Ich bin erstaunt, das an einer roten Ampel tatsächlich gehalten wird. Tja, ganz ohne geht dann offensichtlich doch nicht. 
Ich spreche hier von Kreuzungen blockieren; Autos, die dann Grün haben, die sich um die stehenden Autos drumherum mogeln; Autos die plötzlich grundlos stehen bleiben, während der Hintermann unmittelbar darauf rüberzieht ohne zu schauen. Alle fahren dicht auf dicht. Ruckartig. Ich bin überrascht, nicht jeden Morgen an einer Unfallstelle vorbeizukommen. Die Leute halten sich hier auch nicht unbedingt an die vorgezeichneten Fahrbahnstreifen, sondern fahren teils auch mittig oder können sich nicht recht dazwischen entscheiden. Wer abbiegen will - Gott bewahre! Man lässt denjenigen ja keine Lücke dazu, also quetscht man sich Stück für Stück vor und dadurch entsteht nicht selten ein unglaublicher Knoten. Wie oft einfach nur Zentimeter zwischen den einzelnen Wägen sind! Für den Deutschen mehr als gruselig. 
Ich muss nicht extra erwähnen, dass man hier durchaus ein paar Autos mehr mit Beulen und Dellen sieht, oder? 
Außerdem, Anekdote am Rande: Viele der Busse sehen zum Teil echt nicht mehr fahrtüchtig aus, mit Rost und kaputten Teilen, aber sie tun's dennoch. 

Hupkonzert

Ich verstehe gar nicht, warum es hier kein eigenes Wort dafür gibt! Concierto de bocinas sagt man, Konzert der Hupen. Und das ist es wirklich. Während in Deutschland ja eigentlich nur bei Gefahr gehupt wird (oder wenn jemand ziemlich wütend ist), gehört das in Peru schon zum guten Ton. An den Hauptstraßen zu den Stoßzeiten wird alle drei Sekunden gehupt. Das ist keine Übertreibung, sondern mein ernst - ich habe mir das auf meinem Arbeitsweg mal durchgezählt. Auf einer weniger priorisierten Straße auf hat man dann durchaus mal eine Minute Pause. Man muss da einfach abschalten, sonst hält man das nicht aus. Aber selbst wenn weniger los ist, können die Leute es nicht lassen. Dabei gibt es oftmals nicht einmal einen Grund - die Straße ist frei, aber sie hupen trotzdem. 
Und dann sind da noch die Taxifahrer. Die halten des Öfteren plötzlich an, hupen um auf sich aufmerksam zu machen und so Fahrgäste zu gewinnen. 


Unerträglich. 

Ampeln

Traut. 
Den Ampeln. 
Nicht. 
Meine Chefin hat mir direkt in der ersten oder zweiten Woche erzählt, dass eine Dame von einem Bus überfahren wurde, während sie die Straße bei grüner Ampel überquerte.
Die Fußgängerampeln können als Orientierung dienen - sie haben häufig sogar eine Zeitanzeige - aber traut ihnen nicht. 


Das Problem ist nämlich einfach: Habt ihr grün, haben die Autos auf eurer Spur auch grün, das heißt alle die Abbiegen wollen kommen euch in die Quere. Mal ganz davon abgesehen, dass die Querstraße gerne noch schnell über rot fährt. 


Es gibt hier einfach keine - bzw. nur äußerst selten - extra Abbiegespuren mit Abbiegeampeln. Eines der vielen Gründe, die das Chaos hier fördern. 
Und ich weiß es ist schwer, denn dieses grüne Licht ist so verlockend - ich fühle mich manchmal wie eine Motte, die von einer Lampe angezogen wird. Gelingt mir auch nicht immer trotz grüner Ampel zu schauen, aber hey, ich lebe noch. Also macht es mir nicht nach. 
Rote Ampeln werden entsprechend genauso ignoriert - das muss ich zugeben, konnte ich mir schnell abgewöhnen. Stehen zu bleiben, wenn die Straße frei ist? Naah. Man muss ja auch die Gunst der Stunde nutzen, hier mehr als woanders. 

Kurzgesagt: Schaut nach links und rechts Kinners, Grün-Rot zählt hier nicht. 
Man darf durchaus auch dreist sein - sind die Autofahrer ja auch - und so muss man sich nicht selten etwas durch die fahrenden Autos mogeln. Nur - im Zweifelsfall seid ihr halt der Schwächere, von dem her: 


Aufgepasst im Straßenverkehr! 

Skurilles

Autos und Fußgänger sind dabei natürlich längst nicht alles, was sich auf den Straßen fortbewegt. Zwischen den stehenden Kolonnen nutzen Musiker oder Verkäufer oft die Augenblicke um sich so ein paar Münzen zu verdienen. Auf den Gehwegen gibt es zahlreiche kleine Buden oder Wägen, die Snacks, Getränke oder Obst an den Mann bringen wollen. Auch Schuhputzer bieten hier ihre Dienste an. Lieferdienste mogeln sich meistens per Motorrad oder Fahrrad durch die Reihen und haben dabei typischerweises einen großen, eckigen, bunten Rucksack auf dem Rücken. 

Die Autos haben hier übrigens die selben tristen Farben, wie in Deutschland - Peru ist nicht so bunt, wie man behauptet. Weder in Kleidung noch bei den Autos.

Hupen in ganz anderen Klangfarben sind im Besitz der Eisverkäufer, die mit einem gelben Dreirad unterwegs sind. Auch der Messerschleifer bedient sich einer Hupe in anderem Ton. Er marschiert mit seinem Gerät durch die Wohnviertel und bietet den Bewohnern so an, für wenige Soles ihre Messer wieder scharf zu schleifen.

Insbesondere in den Seitenstraßen gibt es häufig kleine Hügel vor einer Kreuzung, die die Autofahrer dazu bewegen sollen langsamer zu fahren. Davor gewarnt wird mit einem gelben Schild und zur Verdeutlichung steht stets fett "DESPACIO" auf der Straße geschrieben. Es hilft.... bedingt. Allerdings, wenn ein Bus darüber fährt, ist es für die Fahrgäste meist nicht so angenehm!

Fazit

Leider tummelt sich hier alles auf der Straße - sowas wie Züge oder U-Bahn gibt es nicht. Da die Busse nicht unbedingt zuverlässig sind, muss also jeder mit Auto zur Arbeit. Das verstopft die Straßen natürlich enorm. Ich habe wirklich Glück einfach laufen zu können, denn hier Auto zu fahren möchte ich mir wirklich nicht antun. Einige sieht man hier auch mit Fahrrad oder Scooter fahren, aber diese weichen hier auch lieber auf die Gehwege aus.


Und noch ein Random Fact: Viele fahren mit geöffneten Fenstern - warum auch immer. Da schleudert es einem nämlich so richtig schön die Abgasluft herein, yeah. Es ist kein Wunder das die Stadt unter einer Dunstglocke hängt. Die Kollegen brauchen teilweise über eine Stunde und länger bis in die Arbeit, einfach nur weil der Verkehr so dermaßen scheiße ist. 

In dieser Hinsicht könnte Lima noch wirklich eine Menge verbessern! Aber das gehört ganz einfach zu, wenn man hier lebt :-) 

Kommentare: 1
  • #1

    Jürgen Reinholz (Dienstag, 25 Juni 2019 21:39)

    Hi, "sowas wie Züge oder U-Bahn gibt es nicht" ist soo nicht ganz richtig. Es gibt die Linie 1 von Destino
    Bayóvar
    (San Juan de Lurigancho) nach Destino Villa el Salvador, einmal quer durch die Stadt in 56 Min. als Hochbahn mit einer schönen Aussicht, seit 2015.
    Die Züge sind vollklimatisiert und der preis pro Fahrt betraegt 1 ,50 Soles.
    Dann gibt es auch noch die Metropolitano mit eigenen Busspuren (http://www.metropolitano.com.pe/conocenos/rutas/) . Dieses Netz wird auch staendig erweiter und man kommt schnell und sehr preiswert durch die Stadt.

    MFG
    Reinholz