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Ich gehe nach... Peru?!

Vor relativ genau einem Jahr habe ich bei uns in der Personalabteilung mal nachgefragt, ob denn eine Möglichkeit besteht sich auch ins Ausland versetzen zu lassen. Und jetzt sitze ich in einer Maschine der AirCanada und verstehe es immer noch nicht so richtig. Vorbereitungszeit hin oder her. Aber ganz ehrlich? Auf so etwas kann man sich auch gar nicht richtig vorbereiten.

 

   Doch wie kam es überhaupt dazu?

 

Am Anfang, da ist es immer erstmal nur eine Idee. Gedanken kommen und gehen, manche davon auch öfter. Nur, wenn einen der Gedanke plötzlich nicht mehr loslässt, dann wird es konkret. Zuerst konsumiert man Geschichten und Erfahrungsberichte von anderen Leuten und irgendwann fragt man sich: Kann ich das auch?

 

Nach der Schule bin ich in eine Ausbildung reingeschlittert und nach der Ausbildung wusste ich lange nicht was ich machen wollte. Also bin ich erstmal bei der Firma geblieben. Allerdings wollte ich einfach mehr – für mich, mehr, wenn ich auch nicht wusste nach was genau ich mich verzehrte. Solange jedenfalls, bis die flüchtigen Gedanken, die so kommen und gingen, sich ein zu Hause in meinem Kopf einnisteten. Also fragte ich schlussendlich intern nach – da wir als Spedition im Luft- und Seebereich international tätig sind, ist die Anfrage nicht selten. Das war dann auch das erste Mal, dass der Wunsch in mir laut ausgesprochen wurde – noch vor Freunden und Familie. Wirklich zu sagen „ich will ins Ausland gehen.“ ist einfach schon ein ganzer Schritt weiter, als den Gedanken still und heimlich in sich auszukochen. Denn dann lassen sie einen wirklich nicht mehr los.

 

Es hat dann ungefähr ein halbes Jahr gedauert, bis tatsächlich ein fixes Jobangebot kam. Zuvor hatte man schon einige Dinge abgesteckt, Telefonate geführt – beim Motivationsschreiben war ich Feuer und Flamme – ehe ich im Herbst 2018 dann die E-Mail mit einem konkreten Angebot erhalten hatte. Damals habe ich innerlich gebrannt vor Freude und konnte kaum glauben, dass es tatsächlich klappen konnte. Konnte? Sollte? Würde?

 

Tja, ich schätze das ist einfach mein Charakter. Solange ich noch kein Flugticket hatte, konnte ich mir selbst nicht ganz glauben, dass ich auch wirklich fliegen sollte. Also sprach ich vor allen Leuten immer nur im Konjunktiv. „Wenn alles klappt, dann…“ „Also geplant ist…, aber…“ „Ja, das weiß ich auch noch nicht so genau, weil…“ Irgendwie wollte ich es auch nicht immer gleich zum Thema werden lassen (denn auf die meisten Fragen, die darauf meistens folgen, hatte ich sowieso keine Antwort) und zum anderen hatte ich stets die Angst, dass alles platzen würde aus-was-weiß-ich-für-welchen-Gründen. Daraufhin wieder allen erzählen „Ach, ne, doch nicht.“, fand ich furchtbar, obwohl die Sache ja nur mich alleine etwas anging.

 

Aber es platzte nicht. Noch nicht. Ich sitze zwar jetzt gerade im Flugzeug, aber wer weiß? Am Ende schmeißen sie mich direkt wieder aus dem Land raus? Unwahrscheinlich, ich weiß, aber ich bin einfach ein steter Skeptiker und jemand, der alles dreimal überdenkt (und das ist trotzdem nicht genug!)

 

Dabei ging es schlussendlich doch schnell. Im Januar hab ich mir eine Liste geschrieben mit den Punkten, die – meines Erachtens nach – so erledigt gehören, wenn man auswandert. Genaue Informationen zum Visum, Wohnung und Flugticket kamen gerade mal vor vier Wochen. Von den vier Wochen war ich eine Woche in Hamburg zur Schulung, blieben für mich persönlich noch drei um auf einen Nenner zu kommen. Spoiler – es hat nicht geklappt.

 

Mit dem Wissen, dass man für ein oder zwei Jahre ins Ausland geht, konnte ich mich nun ein Jahr lang auseinandersetzen. Familie und Freunde auch. Hat das irgendwie geholfen? Natürlich nicht! Das Wissen ist zwar da, gleichzeitig ist es allerdings so surreal. Man kann sich einfach nicht vorstellen, wie es sein wird, man kann nicht vorhersehen, was einen erwartet und man kann sich auf einen Abschied nicht vorbereiten. Irgendwann ist der Tag des Abfluges einfach da. Und das ist bei mir heute.

 

Am Wochenende hab ich nochmal den Großteil meiner Freunde gesehen, was einfach nur wunderbar war. Es war nicht nur die perfekte Ablenkung, um nicht durchzudrehen, sondern einfach nur – toll! Aber irgendwann dreht man den Leuten den Rücken zu und geht – mit der schwebenden Frage im Raum, wie wird es weitergehen, mit uns? Ich denke, die häufigsten Aussagen waren zum einen „Ich werde dich vermissen, bin aber auch ein wenig neidisch“ gepaart mit einem „Es ist schade, aber wir freuen uns auch für dich!“ und der beliebtesten Frage: „Bist du schon nervös?“ Die Antwort darauf ist leicht: Nein. In diesen Momenten, umgeben von den mir liebsten Leuten, konnte ich nicht nervös sein. Das Gefühl kam hin und wieder die Wochen vorher schubweise, man sitzt plötzlich da und denkt sich „Scheiße.“ Eingeschlagen wie eine Bombe ist es natürlich am Morgen der Abreise – ein zweites Scheiße dafür, denn Scheiße war mir schlecht. Mein Dad hat mich zum Flughafen gebracht und sobald wir da waren, ging es wieder besser, denn ich hatte erst einmal klare Aufgaben zu bewältigen, hieß für meine Gefühle hinten anstellen: zum Terminal gehen, Gepäck aufgeben und so weiter. Als mein Dad dann gegangen ist, da flossen die Tränen.

 

Mit meinen Eltern war es am Schwersten. Ich bin das erste Kind, welches auszieht – und dann ist es auch noch das andere Ende der Welt. Jeden Sonntag zum Mittagessen vorbeifahren ist da nunmal nicht drin. Sie lieben mich, verstehen mich und stehen hinter mir, aber leichter macht es das nicht. In der Hinsicht ändert sich alles – und zu wissen, das man selbst dafür die Hebel in Bewegung gesetzt hat ist nicht schön, aber gehört dazu.

 

Als ich Karfreitag anfing zu packen, wurde es dann wirklich spürbar. Die Wohnung ist so leer (und ordentlich!), wie schon lange nicht mehr und manchmal saß ich einfach nur auf meiner Couch, sah mich um und dachte… Nichts. Mein Kopf war leer. Aber immer wenn Zweifel meiner Entscheidung auszuwandern mich einholen wollten, dachte ich auch daran – was wäre die Alternative gewesen? Wohin gehöre ich? Wohin will ich?

 

Hier ein kurzer Auszug der Szenarien in meinem Kopf:

  1.        Studieren.
    Das war tatsächlich neben der Auslandssache der prägnanteste Gedanke, der sich lange hielt. Doch irgendwann stellte ich fest – das wollte ich ganz einfach nicht mehr. Also nein.
  2.       Sich in der Heimat im Landkreis eine kostengünstige (haha) Wohnung suchen und am Flughafen & Umgebung von Job zu Job hüpfen
  3.       Sich zumindest eine andere, nette Stelle in Deutschland zu suchen, aber dann auch wieder die Frage: und wohin sonst in Deutschland? Meine Freunde sind quer durch die Bundesländer verteilt, von dem her wäre es aus der Hinsicht fast egal.

 

 

 

   Aber hätte mich das weitergebracht?

 

Studieren – sicherlich. Darum geht es ja bei einem Studium, so sagt man zumindest. Verschiedene Berufserfahrung sammeln – klar, vielleicht, kann ich schlecht beurteilen, da ich seit der Ausbildung im selben Unternehmen arbeite (und auch jetzt nicht damit aufhöre).

 

Ich habe irgendwann festgestellt, dass ich verdammt viele Dinge ausprobieren will. Gleichzeitig hänge ich schon zu lange im selben Alltag fest – der nicht schlecht ist, nein! Was ich allerdings brauchte, dringend brauche, ist Veränderung. Und vielleicht auch der Traum eines Abenteuers.

 

Da klingt ein Kulturschock doch nach dem Richtigen, oder? Tja, so sicher bin ich mir da nicht – alteingesessen und introvertiert wie ich bin. Ein fremdes Land, fernab der Heimat und allem was man so kennt, vom Dorfkind in eine Millionenstadt, mit einer Sprache, die man seit zwei Jahren lernt und gefühlt immer noch nicht mehr rausbekommt als „Hola, cómo estas?“ – Herzlichen Glückwunsch.

 

Ob ich mir damit einen Gefallen tue? Das wird sich zeigen. Vermutlich werde ich mich erstmal eine ganze Zeit lang verfluchen. Es fühlt sich allerdings immer noch richtig an – und jetzt, wo ich im Flugzeug sitze ist von Aufregung keine Spur. Ich bin neugierig, gespannt und optimistisch – daran muss ich mich zurückerinnern, wenn Zweifel und Angst das Herz einnehmen wollen.

 

Noch eine Endnotiz: Die am meisten gestellte Frage war übrigens: „Und warum ausgerechnet Peru?“

 – Tja, so genau kann ich es auch nicht erklären. Ein bisschen Realismus war dabei – in Kanada, Australien und Neuseeland die ja insbesondere in Work&Travel Blogs sehr angepriesen werden, haben wir nämlich keine Niederlassungen und fielen daher raus. Europäische Länder waren mir nicht weit weg genug – Europa ist für mich fast schon ein Land, wenn man so will. Nach USA bringen mich keine zehn Pferde – keine. Chance. – und dann wird es schon dünn mit den englischsprachigen Ländern. Da keine Ambitionen da sind eine asiatische Sprache zu lernen (Spanisch ist schon schwer genug!), fiel mein Fokus schnell auf Lateinamerika. Auch der vorherigen Gründe ungeachtet, habe ich Interesse an den dortigen Ländern gefunden und ich will verdammt viel davon sehen. Südamerika liegt nicht so im Fokus und vielleicht geriet es gerade deswegen in den meinen. Zuvor hatte ich schon angefangen Spanisch zu lernen, da es sich dabei um eine Weltsprache handelt und bereits mit dem Hintergrund das ich so oder so mal dahin wollte. Leider Gottes verzweifle ich an dieser verfluchten Sprache ganz schön, aber es kann nur besser werden – ich hoffe einfach, dass stimmt was alle prophezeien „Im Land lernt sich das schon!“ (jahaa – leicht gesagt!). Nicht ungeachtet lassen darf man die Tatsache welche Bedürfnisse die Niederlassungen des Unternehmens auch an einer Person haben müssen, um eine Stelle anzubieten zu können. So ist es schlussendlich Peru geworden.

 

 

Ich weiß so wenig und kann mir nichts darunter vorstellen – aber vermutlich ist genau dies das Beste. Mal sehen was die Reise bringt!

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