Das Taxi ließ die Wüstenstadt Ica hinter uns, vor uns lagen riesige Sanddünen, die Straße machte eine Kurve und dann lag sie vor uns: Die Wüstenoase Huacachina. Wir baten den Fahrer kurz anzuhalten, bevor wir abwärts zur Oase fahren würden – der Anblick der sich uns bot, war zu unglaublich, um ihn einfach nur im vorbeifahren mitzunehmen.
Die Sonne brannte vom Himmel, plötzlich war es warm. Dieser Anblick, obwohl ich mich noch immer in der gleichen Region befand, war so anders, als die Wüste, die ich tags zu vor betrachtet hatte. Ich ließ mich weiter mitziehen, wir fuhren hinein nach Huacachina und der Taxifahrer, den waranqubnb organisiert hatte, reservierte für mich noch eine Sandbuggytour am Nachmittag und führte die beiden Deutschen, mit denen ich unterwegs war, und mich zu einem Restaurant seiner Empfehlung. Dort gab es eine Dachterrasse, bei der ein schöner Ausblick garantiert war. Außerdem war es dort nicht so überfüllt und alles in allem sehr schön. Ein tolles Ambiente. Wir machten aus, das er um 18:20 Uhr wiederkommen und uns abholen sollte. Doch erstmal war es Zeit zum Mittagessen!
Nachdem wir am Vormittag bereits einiges an Wein zu uns genommen hatten, war etwas zu Essen bitter nötig. Und die Speisen sind – wie immer in Peru – fantastisch, auch wenn ich mir nur einen Salat gegönnt habe :-) Die beiden Deutschen wollten sich dort direkt das Fußballfinale Peru gegen Brasilien ansehen, aber das konnte mir gestohlen bleiben. Ich verabschiedete mich nach dem Essen also und drehte erstmal eine Runde um die Oase.
Der Anblick von Wasser und grünen Palmen inmitten von goldenem Sand und brennender Sonne ist absolut erstaunlich. Seltsam. Verrückt. Für einen Europäer sind solche Landstriche fremdartig – und wunderschön. Hier ist man wirklich wie auf einem komplett anderen Planeten, aber nein: Es ist immer noch Mutter Erde und zu sehen, wie reichhaltig und divers diese Welt ist, ist fantastisch.
Allerdings muss man auch sagen: Wie alles, was für die Menschen wunderschön ist, wurde sich auch dieser Ort unter den Nagel gerissen. Huacachina ist in jeder typischen Südperureiseroute einer der ersten Stopps auf dem Weg von Lima nach Machu Picchu. „Die einzige Wüstenoase ganz Südamerika's!“ Das darfst du dir doch nicht entgehen lassen? Kurzgesagt: Der Ort ist super touristisch. Die Einwohner leben in Ica, die Stadt liegt immerhin nur zehn Minuten entfernt. In Huacachina selbst gibt es also vor allem drei Dinge: Restaurants, Souveniermärkte und Touranbieter. Letzere sind auch ziemlich penetrant, man kann in deren Nähe nicht einmal ruhig stehen bleiben, sondern wird sofort angequatscht. Ein „Nein“ wird nicht gehört. Sehr anstrengend.
Von hier aus gibt es sogar Angebote für den Flug über die Nazca Linien (ca. 2-3 Stunden entfernt) und zum Canyon de los perdidos, den ich am Vortag besucht hatte. Ich fragte mich, wie eine Tour dorthin hierüber wohl ausgesehen hätte? Luis hat sich so unglaublich viel Mühe gegeben – man spürte, da war Herz dahinter. Die Angebote hier begegnete ich daher eher mit Skepsis.
Ein bisschen hat mich der Ort an Badeseen in Deutschland erinnert. Auf der Lagune ließ sich sogar Tretboot fahren. Die Leute entspannten sich unter den Palmen im Schatten und ließen es sich gutgehen. Die südamerikanische Variante des deutschen Badesees also :-) Zum einfach nur an der Oase liegen und bei einem guten Buch entspannen ist der Ort wirklich perfekt. Seele baumeln lassen. Definitiv!
Ich erblickte einige tapferere Eroberer der nördlichen Düne – der höchsten rund um Huacachina. Am liebsten hätte ich es ihnen gleichgetan und diesen Sandhügel erklommen, allerdings reichte die Zeit nicht. Dennoch spazierte ich ein wenig auf den Dünen herum und kam super schnell außer Atem. Dort, wo der Sand bereits ein wenig zertrampelt war, lief es sich relativ okay, aber bei jungfräulichem Sand? Unmöglich! Bereits nach zehn Minuten schnaufte ich wie eine alte Oma auf dem Weg ins Grab – man kam einfach nicht vorwärts! Irgendwann setzte ich mich dann einfach in den Sand und genoss den Ausblick. Naja, versuchte es zumindest. Meine Augen tränten ganz schön, vom Sand und weil die Sonne blendete. Wenn man sich so dem Sand ausliefert, versteht man plötzlich ganz gut, warum Wüste ein todbringender Ort ist.
Jetzt aber mal wieder weg von den düsteren Vergleichen! Kurz vor vier machte ich mich dann auf zu dem Touranbieter. Da war ich ja schon gespannt drauf! Etwas erhöht standen all die Sandbuggys schon parat – durchschnittlich zehn Leute passten in ein solches Gefährt. Dann hieß es: Gut festhalten! Der Anfang war ziemlich holprig und was dann kam, hatte ich so irgendwie nicht erwartet. Stellt euch vor, ihr fahrt eine wilde Achterbahn in einem Freizeitpark. So ähnlich ist das hier, nur... ohne Schienen. Und ohne Vorgaben. Sowieso völlig durcheinander, unerwartet und abgefahren. Der Wagen schlug sich die Dünen rauf und runter und wir mittendrin. Es war super witzig! Auch mir entglitten Jauchzer der Freude :-) Wer braucht schon einen Freizeitpark, wenn die Natur damit genauso gut, nein: besser, aufwartet?
Nach einigen wilden Kurven, kamen wir schließlich auf einer Ebene zum Stillstand. Damit waren wir nicht die einzigen: Sicher zehn oder zwanzig solcher Buggys standen in der ewigen Weite parat und zahlreiche Touristen machten Fotos. Die Aussicht war spektakulär. Kein Foto kann das Panorama festhalten und vor allem nicht: Die Hitze der Sonne, die Trockenheit der Wüste, das Gefühl von Ferne und Neuem, die Aufregung, aber auch den Wunsch, diesen Moment mit jemanden teilen zu wollen.
Alleine reisen macht mir üblicherweise nichts aus. Tatsächlich mag ich es sogar ganz gerne, weil man sich an niemanden richten muss, keine Kompromisse eingehen und einfach nur das machen kann, worauf man gerade Lust hat. Reisen mit Freunden ist genauso schön, weil man jemanden zum reden hat, nicht alles alleine schultern und planen muss und die Erlebnisse teilen kann. Ich mag beides gleichermaßen. Es kommt darauf an was man macht und vorhat, daher ist eine Abwechslung zwischen alleine und zusammen reisen für mich das Ideale.
So war es also in genau diesem Augenblick, dass ich gerne jemanden bei mir gehabt hätte. Die meisten auf diesen Touren waren zu zweit oder in Gruppen unterwegs und es ist ein Moment wie dieser, in denen man sich inmitten von Menschen befindet und sich gleichzeitig von ihnen abgeschottet fühlt. Ja, ich habe auch hier das ein oder andere Wort mit den Leuten gewechselt, aber nicht viel. Zum Vergleich: Tags zuvor blieb ich nicht lange alleine, da ich mit zwei Kanadiern eine Gruppe bilden konnte und obwohl wir uns nicht kannten, war dennoch ein Zusammenhalt und Zugehörigkeitsgefühl vorhanden. Das fehlte an diesem Sonntag komplett. Das ist schade, aber noch lange kein Beinbruch! So und jetzt weiter, Gefühlsduselei gehört eigentlich in eine ganz andere Kategorie auf diesem Blog ;-)
Die kleine Pause war zeitlich ziemlich beschränkt, ehe es schon wieder weiterging. Oh, und wir taten etwas, dass ich sowieso unbedingt vorhatte und gar nicht wusste, dass es mit auf dem Tourplan stand! SANDBOARDEN! Plötzlich verstand ich, warum die Leute in Huacachina einem kurz vorher noch Tücher andrehen wollten – zum Schutz gegen die kleinen Körner. Die schlugen einem durchaus ins Gesicht, es geht aber auch ohne.
Wir erklommen also die Dünen, legten uns nacheinander bäuchlings auf das Brett und ab ging die Rutschpartie! Nachdem alle unten waren, fuhr unser Guide mit dem Buggy nach und sammelte uns alle wieder ein. Fahrtrichtung war immer in Richtung Schatten. Gestartet wurde mit einer kleinen Düne, aber sie wurden immer größer und höher – eine bot sich sogar für eine Kurvenfahrt an. Das war wirklich eine spaßige Angelegenheit! Zwei aus der Gruppe waren Snowboarder und hatten sich hierfür richtige Sandboards mit passendem Schuhwerk und allem drum und dran zulegen können. Heißt also: Die Noobs rutschten bäuchlings runter, die Pro's meisterten die Dünen wie Snowboarder den Schnee. Ziemlich cool!
Typischerweise gibt es Vormittags 3-Stunden-Touren und Nachmittags 2 Stunden. Die Mittagshitze ist zu heiß dafür. Bei der Planung überlegte ich erst, mich vormittags aufzumachen, denn: je mehr desto besser! Im Nachhinein bin ich jedoch so froh, die kürzere Variante erlebt zu haben. Nicht, weil es keinen Spaß gemacht hätte – wie gesagt, das ist eine super spannende Erfahrung! Zugegeben, ein bisschen schlecht wurde mir nach einer Weile im Buggy schon, man sollte keinen zu leichten Magen dafür haben.
Nein, der wahre Grund hierfür lag wiederum an der Natur selbst. Die Tour ging von 4 bis 6 Uhr nachmittags: Das ist genau die Zeit, in der die Sonne wieder begann langsam tiefer zu sinken. Das Licht wurde wärmer, die Schatten wurden länger. Beim Sandboarden habe ich mich stets hinten angestellt, einfach um den Moment, auf der Düne zu stehen und das Sonnenspiel zu betrachten, so lange wie möglich hinauszuzögern. Es war wunderschön und ich konnte nicht genug davon bekommen.
Um uns herum war einfach nichts. Es war hier nur unsere Gruppe und eine Düne, die der Nächsten folgte. Es ist so verrückt, dass es tatsächlich möglich ist, an einen solchen Ort derartige Abstecher zu machen. Die adrenalinreichen Aktionen hätte ich am liebsten mit Freunden geteilt. Aber da sie nicht da waren, wünschte ich mir, an diesem Ort, nur für einen Augenblick, komplett alleine zu sein und das alles auf mich wirken zu lassen. Das war dann leider nicht möglich, weil alles sehr eng getaktet ist und man nunmal mit vielen Fremden unterwegs ist. Nur ohne eine solche Tour wird es auch schwierig, sich in die Wüste zu wagen.
Zwei Sonnenuntergänge in der Wüste, ist ein Geschenk, welches ich nie geglaubt hatte, einmal zu erhalten. Auch wenn mir durch die Tour die innere Ruhe gefehlt hat, war der Anblick ein Bild für die Götter. Und, nicht vergessen: Kaum war die Sonne weg, wurde es verflucht kalt! Daher war ich echt froh, als wir zurück nach Huacachina kamen. Trotz einiger kleiner Störfaktoren, hatte mich der Tag erfüllt. Ich war müde, aber glücklich und durch mich floss noch all der Abenteuerdrang.
Zurück in Huacachina, sah ich auch bereits den Taxifahrer. Er setzte mich in ein anderes Auto, welches ich plötzlich mit zweien von der Tour teilte (wie war das so schnell passiert), doch ich kam sicher wieder bei Luis an. Da war es gerade gegen 18:45 Uhr. Luis war bereits zu Hause, wir unterhielten uns, ich bezahlte ihn und er rief mir ein Taxi für in einer halben Stunde. Das heißt, ich konnte noch einmal ganz bequem duschen und mir all den Sand abwaschen! In welchem Hotel oder Hostel wäre das sonst möglich gewesen, wenn man morgens auscheckte? Das hier war eben Familie.
Tja und dann hieß es, Ica Lebewohl zu sagen. Ich kam zeitlich super passend am kleinen Busbahnhof an und wartete dort, bis der Bus nach Lima um 20:00 Uhr aufgerufen wurde. Eine Sache ist mir noch aufgefallen: Im Gegensatz zu Lima ist es in Ica nachts auch tatsächlich dunkel – Sterne habe ich trotzdem nicht gesehen, aber wer weiß, vielleicht lag es dort auch einfach an einem bewölkten Himmel? Zumindest morgens war es die beiden Tage grau gewesen, ehe die Sonne sich vorbei gedrängelt und ihre ganze Macht demonstriert hatte. Ob ich mal einen Sternenhimmel in Peru zu Gesicht bekomme? Zurück ging es jetzt nach Lima – und dort würde das auf jeden Fall nicht eintreten.
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