Barranco. Das Szenenviertel Lima's. Es war an diesem Tag, an dem ich mich über die Dächer hinweg bewegen sollte. Und was soll ich sagen? Es war ziemlich cool – abgesehen von einer Sache.
Nachdem ich mich von den beiden Deutschen, die ich zufällig angesprochen hatte, verabschiedet hatte, schlenderte ich ein wenig durch die Straßen Barranco's bis hin zur Küste. Lima hat eine unglaublich steile Klippe und an ihrem Fuße befinden sich sechs Straßenspuren, ähnlich einer Autobahn. Im Sommer soll der gesamte Abhang einer grünen Wiese gleichen, daher nennt man sie auch „la costa verde.“ Im Winter, wie jetzt, ist es ein wenig brauner, aber das macht nichts.
Wer das Meer besucht, sollte sich zu dieser Zeit jedenfalls warm anziehen. Denn der Höhenunterschied bringt ziemlich kalte Winde mit sich. Dafür eignen sich die Klippen für eine ganz andere Sache hervorragend: Nämlich Paragliding.
Ich wollte das schon immer mal machen! Flyer und Fotos haben mir gezeigt, dass es in Lima möglich ist, nur wusste ich nicht wo. Bis ich an diesem Tag in Barranco rein zufällig darüber stolperte.
Ich setzte mich also an den dort relativ flachen Klippenrand und beobachtete wie die Paraglider mit den Seilen des Gleitschirms hantierten, Anlauf nahmen und sich durch die Lüfte bewegten. Von einer solchen Nähe hatte ich mir das bisher noch nie ansehen können. Allerdings sah es gar nicht danach aus, dass man sowas zu zweit fliegen könnte. Zumindest nicht in dem Stile, wie die das hier praktizierten. Also begnügte ich mich damit, sie zu beobachten, Fotos zu machen und den Wind in den Haaren zu spüren.
Wie viel Zeit vergangen ist, kann ich gar nicht sagen, doch irgendwann kam ein junger Kerl auf mich zu und fragte mich, ob ich nicht Lust hätte auf eine Runde – sie bieten auch Tandemflüge an. Da fackelte ich natürlich nicht lange! Wir unterhielten uns ein bisschen und die Leute dort sprachen auch Englisch, klar, immerhin wollte man ja mit den Touristen kommunizieren können. Sorge hatte ich wegen meiner Tasche, weil ich die nicht einfach so herumliegen lassen wollte, während ich durch die Luft segelte. Darin befanden sich immerhin Handy, Kamera und Geldbeutel.
Das war allerdings kein Problem. Ich wurde fest verschnürt, bekam einen Rucksack angeschnallt, der fast so groß war wie ich selbst (Fallschirm, schätze ich?) und meine Tasche konnte dort auch verstaut werden. Sein Kollege würde fliegen und er gab mir genaue Anweisungen, worauf ich achten sollte. Schon rannten wir los – und hoben ab!
Ich liebe die Höhe. Aussichtstürme, Fliegen im Flugzeug, all das macht mir unglaublich Spaß! Es ist schon ziemlich beeindruckend, wie man so einen Gleitschirm steuert und fliegen kann. Ich für meinen Teil konnte mich jedenfalls einfach zurück lehnen und die Aussicht genießen. Alles war so klein! Und gleichzeitig waren wir näher dran, als ich es bisher bei Höhenausflügen wahrgenommen habe. Wir flogen über die Dächer Lima's, konnten die Leute auf dem Balkon und im Pool beobachten, glitten über die Straße bis zum Meer. Höher und tiefer. Es ist ein wunderbar befreiendes Gefühl – einfach loslassen. Entspannung pur. Nur Achtung: Es wird kalt! Bin ich froh, dass ich mir zuvor meine Jacke übergezogen hatte.
Der ganze Trip hat vielleicht eine Viertelstunde, zwanzig Minuten gedauert? Ah, wie gerne hätte ich Fotos von dort oben gemacht!
Zur Landung sollte ich schließlich die Beine ausstrecken und ich weiß zwar nicht wie es funktioniert hat, aber wir landeten ganz einwandfrei, ohne stolpern, ohne hinfallen, am selben Ort, an dem wir gestartet sind. Das könnte ich auf jeden Fall öfters machen.
Es war wieder der Kumpel, der mich angesprochen hatte (sein Name war Sebastian), der mich aus den Gurten befreite. Ja und dann musste ich natürlich noch bezahlen.
Und ja, haltet mich für total dämlich, weil ich vorher nicht gefragt hatte. War ich auch. Ich hatte mich einfach hinreißen lassen! Ging ja auch alles recht schnell.
Kurzgesagt: Ich hatte das Geld nicht. 200 Soles wollte er von mir haben, aber ich hatte nur etwas über 100 dabei, denn immerhin sollte man nicht mit zu viel Bargeld hier herumlaufen. (100 Soles sind nicht unbedingt viel Geld, reicht im Durchschnitt aber). Meine Karte war entsprechend auch zu Hause verstaut. Als ich morgens aus dem Haus bin, konnte ich ja nicht ahnen, dass sich mir eine solche Möglichkeit bot. Tatsächlich dachte ich zuerst, er hatte nur einen Witz gemacht und wollte mich aufziehen, aaaaaber das war ein Wunschgedanke. Er meinte, er hätte es mir zuvor doch gesagt und ich meinte, ganz sicher nicht. (Oder ich hatte es überhört? Meine Güte!)
In dem Moment wäre ich am liebsten in Grund und Boden versunken. Es ging jedenfalls ein bisschen hin und her, ehe er mit Enttäuschung im Blick von mir abließ. In der Hinsicht ein glimpfliches Ende, nur dachte ich den ganzen Abend an nichts anderes mehr. Die ganze Situation war mir super peinlich!
Ich tröstete mich nur damit, dass er mich vielleicht auch über den Tisch ziehen wollte. Das war eine Möglichkeit. Oder es war wirklich ein super unangenehmes Missverständnis.
Aber dem nicht genug: Man sieht sich halt wirklich immer zweimal im Leben. Verdammt!
Wenige Wochen später war ich wieder in Barranco. Ich hatte einen neuen Mitbewohner erhalten und eigentlich wollten wir die Free Walking Tour nach Lima Zentrum machen, allerdings gab's die Sonntag nicht. Alternative war nunmal die Free Walking Tour nach Barranco, also haben wir das gemacht.
Und diese Free Walking Tour Barranco führte uns auch an der Küste entlang. Der Guide hat natürlich an verschiedenen Ecken Werbung gemacht, auch für Paragliding, und mein Freund Sebastian, den ich nicht bezahlen konnte, hat allen Flyer in die Hand gedrückt.
Ich hätte mich am liebsten hinter irgendwem versteckt, aber tja, leider funktionierte das nicht. Sebastian erkannte mich aller Widrigkeiten zum Trotz auch wieder und meinte sinngemäß etwas wie „Ach, du wieder.“ was ich nur mit einem langgezogenem „Yeaaah....“ beantworten konnte. Wie standen auch die Chancen?!
Ich bekam an dieser Stelle übrigens keinen Flyer 8D.
Was lernen wir daraus:
Paragliding ist super cool – aber fragt vorher nach dem Preis.
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Silke Berthold (Donnerstag, 01 August 2019 13:56)
Liebe Katrin,
ein Tipp von mir. Geh zu ihm und gib ihm sein Geld. Egal, wann er es bekommt, er sollte es haben. Denn so ein wundervoll spontanes Ereignis soll doch frei von Schatten erinnert werden. Bussi