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Lima - zwei Seiten derselben Medaille

Lima. Hauptstadt von Peru, auf dem zweiten Platz der bevölkerungsdichtesten Städte Südamerikas - direkt nach Sao Paulo (BR). Eine aufstrebende Metropole, die unglaublich viel zu bieten hat. Ein Drittel der Bewohner Peru's leben hier, keine andere Stadt des Landes überschreitet die Millionenmarke. Doch was verbirgt sich alles innerhalb?

Ich lebe seit gut einem halben Jahr in San Isidro, Lima. San Isidro – das ist der Finanzbezirk der Stadt, einer der teuersten Viertel und entlockt, sobald ich es erwähne, nicht selten ein respektables „Oooh, San Isidro!“ von den Leuten. Südlich davon liegen Miraflores und Barranco – die für Touristen interessantesten Gebiete. 

Was sehe ich also? Viel (chaotischen) Verkehr auf mehrspurigen Straßen, Supermärkte genau wie in Europa, Bürokomplexe, Einkaufszentren, Kinos, Banken, moderne Wohnblöcke, zahlreiche schicke Restaurants, Cafés, Einkaufsstraßen, Tourismusangebote, Museen, Universitäten, Parks. Ein malerisches Küstenpanorama. Arbeitende, Touristen, Straßenverkäufer und Polizei wuseln durch das Trubel der Hauptstadt. Obdachlose? In diesen Vierteln nicht – in Europa sind mir mehr da in großen Städten begegnet.


Aussicht vom Dach eines Bürogebäudes in San Isidro


So vergisst man schnell, welchen kleinen Teil dieses Bild nur ausmacht. Außerhalb von Lima wird es deutlicher – Häuser ohne Fassade, außerhalb von Städten oft nur kleine Hütten und unbefestigte Straßen. Es ist leiser, abgeschiedener.

Doch man muss dafür nicht mal in die Ferne blicken. Nur eine halbe Stunde Fahrt mit dem Auto braucht es um vom Luxus Lima's in die Slums zu gelangen. Letzten Sonntag besuchte ich Villa el Salvador im Süden der Hauptstadt. Gerade mal 3% von Lima's Bevölkerung – die immerhin 11 Millionen Einwohner umfasst! - leben in Miraflores, während Shanty Town 60% ausmacht.


Aussicht von einem Hügel aus auf Villa el Salvador


Wer das Wort shanty übersetzen möchte, wird Ausdrücke wie Bude, Schuppen, Barackenstadt, Elendsviertel finden. Villa el Salvador ist trocken, steinig und hügelig – wir befinden uns immerhin mitten auf Wüstenboden. Viele Familien flüchteten in den 80er Jahren aus der Andenregion in Folge des Terrorismus, der insbesondere in Ayacucho seinen Anfang nahm. Meist blieb keine Zeit um sich um Verkauf von Hab, Gut und Vieh zu kümmern und die Menschen mussten ihre Heimat mit nichts in der Hand verlassen.

Natürlich ist erste Anlaufstelle die Hauptstadt. Die Leute haben sich dort niedergelassen, wo sie ankamen. Peru hat später verlauten lassen, dass das Eigentum des Grundes nach 15 Jahren dort leben an die Besitzer überging. Zuerst war Lima jedoch gar nicht begeistert und sich so lange Zeit nicht um Versorgung wie Strom und Wasser gekümmert.

Es ist erstaunlich, wie sich die Mentalität „Die sollen da bleiben wo sie hergekommen sind.“ auf der ganzen Welt identisch durchzieht. Ob es nun die USA ist, die Mauern bauen wollen, Europa und die stets debattierte Flüchtlingskrise, Westdeutsche, denen der Zustrom Ostdeutscher nicht gefiel oder eben Lima, die sich nicht mit all den Andenflüchtigen befassen wollte. Ob Landsleute oder nicht scheint erstmal zweitrangig, solange sich zwischen „die“ und „wir“ unterscheiden lässt. Aber das ist ein anderes Thema.

Mittlerweile hat Lima's Shanty Town fließend Wasser – zumindest die meiste Zeit. Kalt. Es gibt oder gab bis vor Kurzem noch stellenweise Gebiete, in denen täglich ein Wassertank kam und die Leute sich entsprechend ihre Rationen holen mussten. Gekocht wird nicht mit Strom. Entweder mit offener Feuerstelle und/oder Gasherden.

NGO's unterstützen, indem sie beispielsweise Kinderbetreuungen einrichten, damit beide Eltern arbeiten gehen können oder Essensausgaben für 3 S/. die Mahlzeit anbieten. In Peru gibt es öffentliche wie private Schulen und Schulpflicht existiert. Das Problem dabei ist, das es ebenso Schuluniformspflicht für die öffentlichen Institute gibt – und Uniformen sind teuer. Familien haben nicht selten drei, vier, fünf Kinder. Grund dafür ist primär der katholische Glaube, da die Kirche Verhütung ablehnt.

Noch zu erwähnen gilt es den Unterschied zwischen formellen und informellen Jobs. Urlaub, Krankenabsicherung etc. gibt es entsprechend nur bei formellen Jobs. Informelle sind nicht illegal, wie ich mir sagen habe lassen, haben aber weder die Sicherheit und vermutlich auch eine weitaus geringere Vergütung. Nimm, was du kriegen kannst.

Wer als westlicher Mensch nach Lima kommt, dem sei gesagt, hier lässt es sich zweifelsfrei gut leben. Zahlreiche lukrative Angebote, schöne Wohngegenden, alles in Reichweite. Die Versuchung zu vergessen, das nur wenige Kilometer weiter das genaue Gegenteil vorherrscht, ist  allerdings allgegenwärtig.

 

 

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